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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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fühlte, wie der Schrecken durch die Kinder raste. Dann streifte etwas ihre Schulter. Sie schaute auf und sah eine zerschlissene, abgewetzte Uniform. Zuerst dachte sie, es sei einer der Kreischer. Aber irgendetwas war anders. Die Gestalt bewegte sich gleichmäßig, ohne das Rucken und Zucken
der Kreaturen. Und sie war riesig. Größer als alle Kreischer und etwa zwei- bis dreimal so breit. Wenn es ein Mann war, war es der größte Mann, den Kate jemals gesehen hatte. Als er an ihr vorbeiging, schaute er sie an. Seine Augen waren von einem dunklen Steingrau. Dann war er vorbei, schob sich durch die Menge der Kinder geradewegs auf das schöne Geschöpf auf dem Damm zu.
    »Wer ist das?«, fragte Emma. »Das ist kein Kreischer. Hast du seine Augen gesehen?«
    Oben auf dem Damm nickte die Gräfin mit ihrem goldgelockten Kopf und der Kreischer zog Annie vom Abgrund zurück und warf sie in Richtung der Treppe. Schluchzend rappelte sich das Mädchen auf und rannte zu den anderen Kindern.
    »Also ich muss schon sagen, das war ein ganz entzückender Besuch. Ihr seht alle ganz ausgezeichnet aus. Mir gefällt es, dass ihr auf euch achtet. Wie auch immer, ich muss …«
    »Sie hat ihn gesehen!«, sagte Emma.
    »Wen?« Als der Mann vorbeigegangen war, hatte Michael gerade seine Brille geputzt und die Gläser abgerubbelt, als ob er so auslöschen könnte, was er gerade gesehen hatte.
    »Wovon redest du?«
    Die Gräfin starrte den großen Mann an, der gerade aus der Gruppe der Kinder trat. Kate sah, dass sie dem Kreischer neben sich etwas zuflüsterte, woraufhin die Kreatur den Mund öffnete und anfing zu schreien.
    Michael und Emma hielten sich die Ohren zu, aber es half nichts. Die anderen Kinder reagierten, als ob man sie niedergeschlagen hätte, und fielen auf die Knie. Keuchend sah Kate, wie drei der Kreaturen ihre rostigen, schartigen Schwerter zogen und auf den Riesen zuschlichen. Wie durch Zauberei hielt der
Fremde plötzlich ebenfalls ein Schwert in der Hand. Die Kinder wichen zurück. Emma stolperte und fiel zu Boden. Kate und Michael halfen ihr wieder auf und taumelten rückwärts, damit sie nicht niedergetrampelt wurden. Über die Schreie der Kinder hinweg konnten sie das Grunzen der Kämpfenden und das Klirren der Schwerter hören, und dann, einer nach dem anderen, versiegten die Schreie der Kreischer abrupt.
    Als sie sich aus der Menge gelöst hatten, sah Kate die drei Kreischer auf dem Boden liegen. Sie schienen mit einem grausigen Zischen im Schmutz zu schmelzen. Der Mann atmete schwer. Der schwarze Schal um seinen Kopf war weggerissen worden. Er hatte langes dunkles Haar und eine Narbe auf der Wange.
    »Er hat sie getötet!«, keuchte Stephen McClattery fassungslos. »Er hat die Kreischer getötet! Das ist noch niemandem gelungen. «
    Sechs weitere Kreischer kreisten den Mann ein.
    Oben auf dem Damm hielt die Gräfin noch immer die Blume in der Hand, die sie gepflückt hatte, und blickte kokett darüber hinweg, wie eine junge Dame, die ihrem Tanzpartner entgegensieht. Kate bemerkte, dass Cavendish, der Fahrer mit dem eiförmigen Kopf, sich hinter seinem Motorrad verstecken wollte.
    »Mit sechs von den Kerlen wird er nicht fertig«, meinte Michael. »Das sind zu viele.«
    Augenscheinlich war der große Mann zu derselben Überzeugung gelangt. Als sich die Kreaturen zum Angriff bereit machten, wandte er sich zum Damm und wich gleichzeitig zurück.
    »Stirb, Hexe!«
    Aber noch ehe er sein Schwert werfen konnte, blies die Gräfin auf die Blume. Kate sah einen goldenen Wirbel auf den
Mann zurasen und ihn einhüllen. In der Wendung, die Muskeln noch angespannt, wurde er starr. Ein Kreischer trat ihm gegen die Brust, und der Mann kippte um, ohne seine Körperhaltung zu verändern. Er landete im Schmutz und wirbelte eine Staubwolke auf. Die Gräfin stieß ein kleines Lachen aus und hüpfte auf der Stelle auf und ab.
    »Habt ihr das gesehen?«, sagte Michael. »Habt ihr gesehen, was sie gemacht hat?«
    »Sie ist eine Hexe«, erklärte Emma. »Jemand sollte sie von diesem Damm schubsen. Oder sie verbrennen. Das macht man doch mit Hexen, oder?!«
    Kate war klar, dass sie hier verschwinden mussten. Es war egal, wer sie dabei sah. Und sie wollte gerade Michael auffordern, das Buch herauszuholen, als sich die junge Frau umdrehte und sie direkt anschaute.
    Kate fühlte sich, als hätte man ihr einen Dolch ins Herz gestoßen.
    Die Gräfin streckte den Arm aus. Ihr Finger deutete auf Kate. Ihre Stimme war ein schrilles Kreischen.

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