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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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erreichte den Damm und ging eine Treppe hinauf. Bis jetzt war Kate vom Anblick der Kinder zu sehr gefesselt gewesen, um zu bemerken, wie massiv dieser Damm wirklich war. Er überragte den Rand der Schlucht um etwa zwei Meter und bildete eine breite, gebogene Brücke zur anderen Seite. Kate sah, wie die Gräfin über die Brücke tänzelte, bis sie die Mitte erreichte. Dort blieb sie stehen, direkt über der tiefsten Stelle des Abgrunds, nur eingerahmt von dem Blau des Himmels und den baumbestandenen Hügeln des Tals.
    Sie wandte sich von den Müttern zu den Kindern und stieß einen kleinen Entzückenslaut aus. »Oh, seht doch! Ihr seid alle gekommen! Ich freue mich so, euch zu sehen!«
    »Sie scheint gar nicht so übel zu sein«, bemerkte Michael flüsternd.
    »Ach, halt die Klappe«, zischte Emma.
    Die Stimme des Mädchens war fröhlich und Kate bemerkte einen leichten Akzent.
    »Ihr werdet euch sicher fragen, warum ich euch hergebeten habe. Nun, ihr könnt euch bei meinem Sekretär, Mr Cavendish, bedanken.« Sie deutete auf den kleinen Mann, der sich das Haar glattstrich. »Oh, er ist aber auch zu liebenswürdig! Er erinnerte mich daran, dass wir heute den zweiten Jahrestag meiner Ankunft in Cambridge Falls feiern dürfen. C’est incroyable, n’est-ce pas? Zwei volle Jahre sind wir schon zusammen! Wie herrlich!«
    Wenn irgendjemand sonst diesen Umstand herrlich fand, behielt er es für sich.

    »Aber Mr Cavendish erinnerte mich auch daran, dass eure Männer mit der Suche bislang keinen Erfolg hatten. Wir sind immer noch keinen Schritt weiter als damals, als ich hier eintraf. « Sie zog einen Schmollmund.
    »Sie hat irgendwie eine nette Art, findet ihr nicht?« Diesmal war es Kate, die ihren Bruder bat, den Mund zu halten.
    Die Gräfin fuhr fort: »Aber verzweifelt nicht, mes amis . Eure kleine Gräfin hat so angestrengt nachgedacht, bis ihr der Kopf wehtat, und ich habe herausgefunden, was ich falsch gemacht habe! Ja, niemand anders hat Schuld. Es ist mein eigener Fehler. Wisst ihr, ich habe euren Männern gesagt: ›Findet, wonach ich suche, und ich werde weggehen. Ihr werdet wieder mit euren Familien vereint sein. Alles wird wieder so wie früher.‹ Quelle imbécile! Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich habe eure Männer aufgefordert, das Gewünschte zu finden, und als Belohnung für ihren Erfolg werdet ihr meiner Gegenwart beraubt?! Ist es da ein Wunder, dass noch keine Fortschritte erzielt wurden? Ihr wollt mich nicht gehen lassen! Ich kann euch natürlich keinen Vorwurf machen, aber so geht das wirklich nicht. So schwierig das auch sein wird, ich muss einfach dafür sorgen, dass ihr mich weniger liebt.«
    Auf ihr Handzeichen hin griff einer der schwarz gekleideten Wächter in die Menge der Kinder und eine Sekunde später hatte er die kleine Annie unter seinen Arm geklemmt und marschierte mit ihr zum Damm. Aus den Reihen der Kinder und der Mütter erhob sich ein Schrei. Die Kreatur trat zur Gräfin, hielt das Mädchen am Kragen seiner Jacke und ließ es über den Rand des Damms baumeln.
    Annies Schreie schnitten Kate ins Herz. Die Beine des
kleinen Mädchens traten in die leere Luft. Eine Frau auf der anderen Seite der Schlucht fiel auf die Knie.
    »Was macht er denn da?!«, schrie Emma und packte Kate so fest am Arm, dass es wehtat. »Er kann doch nicht … er kann doch nicht …«
    Die Gräfin legte die Hände über ihre Ohren und tanzte im Kreis, wobei sie in einer komischen Manier rief: »Zu viel Lärm! Ich kann mich nicht denken hören!«
    Endlich versiegten die Schreie und nur noch Annies Wimmern war zu hören.
    Die Gräfin lächelte mitfühlend. »Ich weiß! Es ist schrecklich! Aber was soll ich machen? Es ist jetzt zwei Jahre her. Das stimmt doch, Mr Cavendish, nicht wahr? Zwei Jahre?«
    Der Sekretär nickte mit seinem seltsam geformten Kopf.
    »Und glaubt mir, mes anges , ich bin gar nicht gern der Spielverderber, aber ich muss euch eure maßlose Liebe für mich austreiben! « Die Gräfin hob die Puppe auf, die Annie fallen gelassen hatte, und glättete ihr das schüttere Haar. »Eure Männer wurden schon unterrichtet. Sie werden finden, was ich begehre, oder an diesem Sonntag – ich hasse Sonntage, sie sind so langweilig – , also an diesem Sonntag wird eure Stadt ein Kind verlieren. An diesem Sonntag und an jedem folgenden, den ich noch warten muss.«
    Kichernd warf sie die Puppe über den Rand in die Tiefe. Als sie in den Abgrund segelte, erhoben sich Schreie zu beiden Seiten der Schlucht. Kate

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