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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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wie ein Gorilla auf die Tischplatte. Seine Stimme war langsam und voller Bosheit. »Was hast du gesagt?«
    »Ich werde Ihnen nicht mit dem Gewölbe helfen.« Kate wusste nicht genau, warum sie sich Hamish widersetzte. Anscheinend wollte sie nicht, dass er das Buch in die Finger bekam. Aber hauptsächlich war es wohl, weil sie ihn einfach für einen Widerling hielt. Sie ließ Michaels Hand los und verschränkte die Arme vor der Brust in dem Glauben, dass sie so entschlossener wirkte.
    »Dasistjaeinfachunglaublich!« Hamish schaute zu den Zwergen rechts und links von ihm. »Habt ihr schon mal so eine Frechheit erlebt? Wessen verdammter Thronsaal ist das hier
eigentlich? Wer ist denn der verdammte König über das verdammte Zwergenreich? Oh, du wirst mir helfen, Fräulein. Glaub mir, du wirst mir helfen. Was soll das Ganze überhaupt? Hast du heute Morgen beim Aufstehen gedacht: ›Heute ist ein guter Tag zum Königeärgern?‹ Denn wenn das so ist …« Er zögerte, unsicher, wie er fortfahren sollte, » … dann lass dir gesagt sein, dass dafür nie ein guter Tag ist!«
    »Mir egal«, sagte Kate und wandte hochnäsig den Kopf ab.
    Hamish stand da, schnaubte vor Wut und funkelte sie böse an. »Du hast Mut, Mädchen, das muss ich dir lassen. Schade nur für dich, dass ich dich gar nicht brauche, sondern – wenn man diesem dummdreisten Zauberer glauben darf – bloß deine Hände.« Er warf mit der Gabel nach einem seiner Soldaten, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. »He! Du da! Bring mir die Hände dieser jungen Dame. Den Rest von ihr kannst du lassen, wo er ist. Ich werde ihr zeigen, wer hier der König ist!«
    »Sie sind kein Zwerg!«
    Die versammelten Zwerge im Saal, einschließlich des Königs, drehten sich um und schauten zu Michael. Hamish hob die Hand und bedeutete dem Zwerg, der auf Kate hatte zugehen wollen, zu bleiben, wo er war.
    »Was hast du gesagt, Junge?«
    Michaels Gesicht war rot angelaufen und vor Zorn verzerrt. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. »Ich sagte, Sie sind kein Zwerg. Und das stimmt auch!«
    Kate begriff sofort, worauf Michael hinauswollte. Ihr war klar, wie tief Hamish, ein echter, wahrer Zwergenkönig, ihren Bruder enttäuscht hatte.
    »Ich weiß mehr über Zwerge als irgendjemand sonst«, fuhr Michael wütend fort. »Mein ganzes Leben lang habe ich alles
über sie gelesen, was ich in die Finger bekommen konnte. Sie waren die tapfersten Soldaten, die treusten Freunde. Die Leute haben sie stets unterschätzt, aber die Zwerge haben immer gesiegt, weil sie die Klügsten waren und weil sie am härtesten gearbeitet haben.«
    Die Zwerge, die sich am Tisch lümmelten, horchten auf. Kate sah, dass Hauptmann Robbie McLaur ihren Bruder anstarrte. Sein stoischer Soldatenblick war einem verblüfften Ausdruck gewichen.
    »Aber Sie«, sagte Michael, »Sie sind eine Schande!«
    »Ach, tatsächlich?«, sagte Hamish kalt.
    »Michael«, flüsterte Kate und griff nach seinem Ärmel. Aber Michaels ganze Aufmerksamkeit lag auf dem Zwergenkönig, und er trat einen Schritt vor, weg von seiner Schwester.
    »Ja, tatsächlich. Und wenn Sie nur über die Hälfte von dem Bescheid wüssten, was meine Schwester getan hat, dann würden Sie vor ihr niederknien müssen, und nicht umgekehrt. Sie ist zweimal so tapfer, wie Sie jemals sein könnten! Wir wollen das Buch nur, damit wir wieder nach Hause können. Sie wollen es, weil Sie gierig sind. Wenn Sie jemandes Hand abschneiden wollen, dann schneiden Sie meine ab!« Und damit trat er vor und legte sein schmales Handgelenk auf den Tisch.
    Eine ganze Weile sagte niemand etwas. Alle Zwerge im Thronsaal, sowohl die am Tisch versammelten als auch diejenigen, die entlang der Wände strammstanden, waren wie erstarrt. Kate hatte schreckliche Angst um Michael, aber sie war auch unsagbar stolz auf ihren Bruder. Michael, der kleine Junge, den man in jedem Waisenhaus gehänselt hatte, der immer und immer wieder von seiner jüngeren Schwester herausgepaukt hatte werden müssen, dessen Brille regelmäßig gestohlen und
in der Toilette versenkt worden war – dieser kleine, schwächliche Junge stellte sich jetzt einem axtschwingenden Zwergenkönig entgegen, noch dazu einem, der augenscheinlich nicht ganz bei Verstand war. Er wirkte so klein und dünn. Aber die Hand, die auf der Tischplatte lag, zitterte nicht, und er hielt Hamishs Blick stand. Kate hatte immer gewusst, dass Emma mutig war, aber jetzt sah sie auch Michael in einem ganz anderen Licht. Sie schwor sich, dass sie

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