Emerald: Hörspiel
ihn nie mehr der Feigheit bezichtigen würde.
Hamish zuckte mit den Schultern und wedelte abschätzig mit der Hand. »Mir soll’s recht sein. Schlagt ihm die Hand ab … und danach die des Mädchens.«
Verzweifelt wandte sich Kate an den Zauberer. »Dr. Pym, tun Sie etwas!«
»Auf geht’s! «, schrie Hamish und hieb mit der Faust auf den Tisch. »Fangt an mit dem Schnippeln!«
Ein Soldat trat vor und zog die Axt aus dem Gürtel. Aber er kam bloß zwei Schritte weit, ehe er rücklings auf dem Boden landete und seine Axt klappernd neben ihn fiel. Hauptmann Robbie McLaur hatte ihn mit einem Schlag vor die Brust zu Fall gebracht.
»Was …«, setzte Hamish an. Aber Hauptmann Robbie wandte sich ihm zu und schnitt ihm mit wutentbrannter Stimme das Wort ab.
»Nein, Bruder. Das werde ich nicht zulassen.«
Es schien kaum möglich zu sein, aber die Anspannung im Saal wurde noch größer.
Hamish richtete sich zu voller Größe auf, was angesichts der Tatsache, dass er ein Zwerg war, nicht weiter bemerkenswert war. Seine kleinen Augen brannten vor Ärger, aber er hielt
seine Stimme im Zaum. »Ich glaube, du hast vergessen, wer hier der König ist, Bruder.«
»Ich bin kein Verräter«, sagte Hauptmann Robbie. »Und vielleicht sollten wir dieses Buch an uns nehmen, um es vor dem Zugriff der Hexe zu schützen. Aber wir sollten diesen Kindern helfen, anstatt aus Eigennutz zu handeln. Der Junge hat recht. Du entehrst unser Volk, und ich tue dir einen Gefallen, wenn ich dich davon abhalte, einen unwiderruflichen Fehler zu begehen. Du hast dich selbst verloren, Bruder. Korruption und Müßiggang liegen schon zu lange wie ein schweres Gewicht auf unserem Volk. Das muss ein Ende haben. Was würde unsere Mutter sagen, wenn sie erleben würde, was aus dir geworden ist.« Mit einer Armbewegung schien er den ganzen Thronsaal zu umfassen, das opulente Festgelage, die betrunkenen Zwerge …
Einen kurzen Augenblick schien Hamish unsicher zu werden und Kate gestattete sich ein Fünkchen Hoffnung. Doch dann hob er die Hand, deutete mit seinem pummeligen Finger auf Hauptmann Robbie und rief: »Packt den Verräter!« Drei Zwerge stürzten vor. Hauptmann Robbie machte keine Anstalten, sich zu wehren.
»Majestät«, sagte Dr. Pym, »wenn Ihr erlaubt: Es stimmt, dass ich das Buch lieber selbst in meine Obhut genommen hätte, aber wenn ich die Wahl habe, ob Ihr es findet oder die Gräfin, dann seid Ihr mir noch lieber. Aber ich warne Euch: Eine abgeschlagene Hand wird das Gewölbe nicht öffnen. Nur ein lebendes Kind kann diese Tat vollbringen. Wenn Ihr für die Sicherheit der Kinder sorgt, werden sie Euch helfen.«
Es sah ganz so aus, als wollte Hamish widersprechen, doch dann grunzte er, nahm sich ein Stück Schokoladenkuchen, wedelte damit in Richtung Dr. Pym und Hauptmann Robbie und
sagte: »Also schön, also schön. Sperrt sie zusammen. Ich werde mich um sie kümmern, wenn ich zurückkomme. Wir brechen sofort auf.«
Wie ein Mann drehten sich die Soldatenzwerge um und marschierten in zwei ordentlichen Reihen wieder aus dem Thronsaal.
Dr. Pym kniete sich neben Kate und Michael. »Die ganze Sache tut mir leid. Ihr werdet allein zurechtkommen müssen.«
»Moment mal! «, rief Kate. »Haben Sie die Wahrheit gesagt? Stimmt das mit dem Gewölbe?«
»Oh ja, es wird sich für euch öffnen.«
»Aber woher wollen Sie das …?«
»Meine Liebe, in dem Augenblick, in dem ihr in meine Zelle kamt, sah ich, dass das Buch dich gezeichnet hatte. Und das war nur möglich, wenn du und dein Bruder die Kinder seid, auf die ich gewartet habe.« Dann lächelte er, und er schaute sie an, als ob er in ihrem Gesicht die Bestätigung für etwas finden würde, das er schon lange vermutet hatte. »Und dass ausgerechnet ihr es sein würdet, von allen Kindern. Ich habe die Zeichen richtig gedeutet …«
»Was meinen Sie? Ich verstehe nicht …«
»Wir haben jetzt keine Zeit für Erklärungen. Aber«, und jetzt senkte er seine Stimme zu einem Flüstern, »sorge dafür, dass du und nur du allein das Buch aufnimmst. Nicht Hamish. Hast du mich verstanden? Ich kann dir nicht sagen, wie du das anstellen sollst, aber du musst das Buch als Erste berühren. Du musst es an dich nehmen. Das ist ungeheuer wichtig.« Dann legte er seine Hand auf Kates Kopf und murmelte etwas. Sie verspürte ein merkwürdiges Kitzeln am ganzen Körper.
»Was haben Sie da gemacht?«
»Das Buch hat dich auserwählt, Katherine. Du allein kannst seine ganze Macht zum Einsatz bringen. Aber
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