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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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Schultern, als ob das eine Kleinigkeit gewesen wäre.

    »Sie zwingt die Männer, in der toten Stadt unter dem Berg zu graben. Ich bin dort hingeschlichen. Habe sie gesehen.«
    Emma hörte auf zu essen. Ihre Neugier gewann die Oberhand. »Was ist die tote Stadt?«
    »Dort haben früher die Zwerge gelebt, vor langer Zeit, unter dem Berg. Dann gab es ein Erdbeben.« Das Mädchen erzählte die Geschichte mit leuchtenden Augen. »Und dann war alles futsch. Die halbe Stadt stürzte ein. Hunderte und Aberhunderte von Zwergen wurden getötet. Deshalb gingen sie weg und haben eine andere Stadt gebaut. Die Leute glauben, dass es in der alten Stadt spukt. Niemand traut sich hin. Aber ich habe keine Angst.« Sie schaute Emma an. »Weißt du, wonach die Hexe die Männer graben lässt?«
    Emma starrte in ihren Eintopf. »Nein.«
    »Ich verrate es niemandem.«
    »Ich sagte Nein. Wie kommt’s, dass die Gräfin dich nicht auch eingesperrt hat?«
    Das Mädchen lachte. »Mit uns legt sie sich nicht an. Nur mit den Leuten in der Stadt. Wenn du mich fragst, haben die es nicht anders verdient. Lassen sich einfach so überrumpeln! Ich hätte gekämpft! Es wäre mir egal, ob sie mich töten! Die Stadtleute sind ein Haufen Feiglinge!«
    Emma schob die letzte Karotte auf ihren Löffel, hob dann die Schale an die Lippen und trank die Suppe aus. Sie dachte an die Kinder, die in dem großen Haus gefangen waren; sie dachte daran, dass bei jedem ihrer Fluchtversuche ihre Eltern dafür büßen mussten. »Wie heißt du?«
    » Dena.«
    »Nun, Dena, du hast keine Ahnung, wovon du redest. Also solltest du besser deinen verdammten Mund halten.«

    Das Mädchen sprang auf und ballte die Hände zu Fäusten. »Wenn du nicht krank und außerdem noch kleiner wärst als ich, würde ich dafür sorgen, dass du das zurücknimmst.«
    Emma warf die Schale weg und war mit einem Satz aus dem Bett. In dem Eintopf der alten Frau musste noch etwas anderes außer Fleisch und Gemüse gewesen sein, denn mit einem Mal hatte Emma ihre alte Stärke wiedergewonnen.
    »Dann versuch’s doch!«
    Eine Sekunde später wären die beiden wohl wild um sich tretend und schlagend über den Boden gerollt, aber genau in dem Augenblick wurde die Plane am Eingang zurückgeschlagen und ein Mann trat ein. Er hatte langes dunkles Haar wie Gabriel. Aber er war kleiner, schlanker und sein Gesicht war jung und ohne Narben. Es war schwer zu sagen, ob er durchschaute, was hier in der Hütte vor sich ging, denn sein Gesicht blieb unbewegt. Mit einem Blick auf Emma sagte er zu dem anderen Mädchen : »Sie braucht Schuhe.« Dena zögerte nur einen Moment. Dann bückte sie sich mit einem ärgerlichen Schnauben und zog ein Paar abgetragene Mokassins unter dem Bett hervor, die sie Emma in die Hand drückte.
    »Komm mit«, sagte der Mann, zu Emma gewandt, und hob die Plane über dem Eingang.
    »Ich will zu Gabriel.«
    Der Mann warf einen Blick über seine Schulter. »Gabriel schickt mich.« Als er hinausging, zog Emma die Mokassins an, und mit einem letzten, trotzigen Blick zu Dena rannte sie ihm nach.
    Das Dorf lag am Hang, zwischen zwei mit Kiefern bestandenen Bergrücken. Die heiße, stickige Hütte verlassend, blieb Emma vor dem Eingang stehen und holte tief Atem. Die Luft
war kühl und frisch und duftete nach Sommer. Emma entdeckte etwa zwei Dutzend Holzhütten, einige etwas abseits zwischen den dicken Stämmen der Bäume, andere eng an eine Art Straße gedrängt, die sich den Hang hinaufzog – wenn ein fünf oder sechs Meter breiter Trampelpfad die Bezeichnung Straße überhaupt verdiente. Emma folgte dem jungen Mann und fragte sich, wo die Einwohner des Dorfes waren. Dann kamen sie um eine Biegung, und da sah sie es: Alle Menschen des Dorfes – zumindest vermutete sie, dass es sich um die Dorfbewohner handelte – hatten sich vor einer einzelnen Hütte versammelt. Die Leute lauschten einer Gruppe von sechs oder sieben alten Männern. Emma war zu weit weg, um etwas zu verstehen, aber es schien eine Art Ratsversammlung zu sein. Als Emma und der junge Mann sich näherten, verstummten die alten Männer und richteten ihre Augen auf sie. Emmas Begleiter nickte respektvoll und hielt das Ledertuch beiseite, das vor der Hütte hing, damit Emma eintreten konnte.
    In der Hütte war es dämmrig, und es wurde noch dunkler, als der Eingang wieder verschlossen war. Der junge Mann war nicht mit Emma hereingekommen. Sie stand da und wartete, bis sich ihre Augen an das funzelige Licht gewöhnt hatten. In der

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