Emerald: Hörspiel
sich auf ein Holzscheit. Sie hob eine Handvoll Kiesel auf und fing an, sie einen nach dem anderen auf einen Eisentopf zu werfen. Nach einer Weile setzte sich Dena neben sie. Auch sie hob ein paar Steine auf, aber anstatt damit ebenfalls auf den Topf zu zielen, ließ sie sie nur von einer Hand in die andere gleiten und siebte dabei die Erde aus.
»Meine Eltern wurden letztes Jahr getötet.«
Emma schaute sie an, aber Denas Blick lag auf den Kieseln, die von einer Hand in die andere wanderten.
»Sie waren in der Nähe von Cambridge Falls. Ein paar Kreischer haben sie erwischt. Vermutlich dachten sie, sie wären aus dem Dorf. Auf der Flucht oder so etwas.«
»Oh … wirklich?«
Das Mädchen nickte.
Da sagte Emma: »Meine Eltern sind verschwunden. Seit zehn Jahren.«
»Sind sie tot?«
»Nein. Ich meine … ich weiß nicht.«
Beide schwiegen eine Weile.
Dann sagte Emma: »Was mit deinen Eltern passiert ist, tut mir leid.«
»Gabriel hat die anderen beschworen, gegen die Hexe zu kämpfen, aber sie wollten nicht. Sie wollen immer noch nicht. Ein Haufen Feiglinge!« Und das Mädchen schleuderte all die Steine in ihrer Hand von sich, sodass sie klappernd gegen den Eisentopf prallten.
»Wovon redest du?«, fragte Emma.
»Darüber sprechen sie doch gerade«, sagte Dena und deutete den Hang hinauf zu einem großen zweistöckigen Gebäude. »Letzte Nacht hat Gabriel das ganze Dorf aufgeschreckt, weil er brüllte, dass man die Hexe bekämpfen müsse. Er konnte des Gifts wegen kaum noch aufrecht stehen. Jetzt reden sie darüber und reden und reden und werden nichts tun. Sie … he! Wohin gehst du?«
Emma war aufgestanden und stapfte die Straße entlang. Sie fühlte das Blut in ihren Wangen und vor ihren Augen zuckten wütende Sterne. Gabriel hatte ihnen befohlen zu kämpfen. Und sie, Emma, würde dafür sorgen, dass sie es auch taten.
Sie schob sich durch den Eingang hinein in die warme, verräucherte Luft. Das Innere der Hütte bestand aus einem einzigen großen, rechteckigen Raum. Die alten Männer, die Emma vorhin schon gesehen hatte, saßen um ein Feuer in der Mitte herum, während der Rest der Dorfbewohner auf Bänken entlang der Wände Platz genommen hatte oder von einer erhöhten Galerie aus zuschaute.
Einer der alten Männer sprach gerade.
»Wir wissen nicht, wie mächtig die Hexe wirklich ist. Wir haben eine Verantwortung, das stimmt. Aber nicht den Menschen von Cambridge Falls gegenüber! Wir müssen unser Blut schützen ! Unsere Traditionen, unser Erbe!« Mit dem Stock klopfte er auf den Boden, sodass kleine Staubwolken aufwirbelten. »Was ist, wenn wir sie bekämpfen und den Kampf verlieren? Wie würde sie sich an uns rächen? Das wissen wir nicht. Wir wissen nicht, wozu sie fähig ist! Das Risiko können wir nicht eingehen.«
Unter allgemeinem Gemurmel in den Reihen der Zuhörer ließ er sich wieder nieder. Wie der Blitz sprang Emma auf eine Bank.
»Ihr werdet alle sterben!«
Die gesamte Versammlung – die alten Männer in der Mitte, die Leute auf den Bänken und diejenigen auf der Galerie –, alle hielten inne und schauten sie an.
»Glaubt ihr, dass sie euch in Frieden lässt, wenn ihr einfach stillhaltet und nichts tut? Seid ihr so dämlich?« Eine kleine Stimme in Emmas Kopf riet ihr zu einer anderen Wortwahl, aber sie beachtete sie nicht. »Denn das ist wirklich das Dämlichste, was ich je in meinem Leben gehört habe!«
Der alte Mann, der eben gesprochen hatte, hob seinen Stock und deutete damit auf Emma.
»Schafft dieses Kind raus.«
Emma sah eine Frau auf sich zukommen. Sie wünschte, Kate wäre hier. Die Menschen hörten auf Kate. »Es stimmt! Ich habe es gesehen! Alles ist tot – die Bäume, die Tiere … Alles ist tot! Ich habe es gesehen! Dieser Ort wird verflucht sein!«
»Schafft sie raus! «, krächzte der alte Mann und hieb mit dem Stock auf den Boden.
»Nein.«
Alle erstarrten und drehten sich um, einschließlich Emma. Granny Peets mächtige, etwas schäbig wirkende Gestalt stand im Türrahmen. Sie ließ die Lederplane fallen und trat zu Emma.
»Sie kommt aus der Zukunft zu uns. Wenn sie sagt, dass diese Berge ein Ödland sein werden, dann glaube ich ihr.«
»Aber Granny«, sagte der alte Mann, diesmal voller Respekt, »wenn das, was das Kind sagt, die Wahrheit ist …«
»Natürlich ist es die Wahrheit! Seid ihr taub oder was … ?«, wütete Emma, aber ein Blick der weisen Frau brachte sie zum Schweigen.
»Woher sollen wir wissen, was diese Zerstörung
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