Emil
Augen zögernd wieder auf sie. Auch als die Diashow bereits vorbei war und der iPod sich automatisch ausgeschaltet hatte, starrten sie weiter auf das Display. Als er seine Hand nach dem Gerät ausstreckte, bemerkten sie es nicht. Nach einigen Sekunden sagte der Mann, gib ihm das Gerät, und die Frau stand plötzlich auf und ging eiligen Schrittes in die Herrentoilette, die ihrem Tisch am nächsten war. Joel und der Vater saßen weiter schweigend da, Joel mit dem iPod spielend, der Vater auf die Eistheke blickend. Joel dachte, wer weiß, ob sie nicht davonläuft und uns einfach so sitzen lässt. Sie wird sich durch das Klofenster davonmachen und nicht wieder auftauchen. Die Mutter kehrte mit feuchtem Haar von der Toilette zurück. Als sie auf den Tisch zukam, erhob sich der Mann, setzte sich dann wieder. Joel sagte: So was, ah?, und verstummte verlegen. Der Mann fragte: Also … wie, ah, womit können wir Ihnen eigentlich behilflich sein? Joel holte die Kopfhörer hervor und steckte sie wieder an. Was es heutzutage doch für Geräte gibt, sagte der Vater zur schweißbedeckten Stirn. Sie dachten beide daran, ihn um eine Kopie zu bitten, dachten aber beide sogleich, lieber nicht, besser nicht ins Haus bringen, denn wenn sie es ins Haus brächten, könnten sie nicht mehr von dort weg. Joel fragte: Wollen Sie noch einmal sehen? Und sie sagten beide wie aus einem Munde: Nein, nein. Joel tippte mit dem Fuß auf den Boden und sagte: Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll … und die Mutter unterbrach ihn mit harter Stimme: Sie brauchen nichts zu sagen, wir haben schon verstanden. Sie möchten, dass wir uns mit ihm treffen, nicht wahr? Also wir haben uns schon entschieden. Wir werden ihn nicht treffen, und der Vater fügte entschuldigend hinzu: Wir haben uns beraten lassen. Und Joel sagte erschrocken: Nein, nein, Moment mal, kommen Sie einen Augenblick … gehen wir nur etwas näher zum Meer …
Hören Sie, hören Sie mir zu, flehte er sie an, obgleich sie ohnehin angespannt lauschten, hören Sie, sagte er, warten Sie einen Augenblick. Nein, nein, sagte er. Nein, nicht das, sagte er. Nein, Nein. Das nicht, erklärte er. Ich möchte, dass sie ihn zu sich nehmen. Er weiß von nichts, von rein gar nichts … Ich möchte, dass Sie ihn zurücknehmen. Ich möchte, dass Sie ihn bei sich aufnehmen, zu sich nach Hause nehmen. Ich habe schon alle Einzelheiten bedacht, was würden Sie davon halten, zu ihm in meine Wohnung zu ziehen? Was ich meine, ist, dass Sie ihn zu sich nehmen. Das heißt, ich werde ihm die Wohnung überlassen, nein, nein, Ihnen, als Geschenk. Alle Dokumente sind schon bereit, ich habe schon an die Details gedacht, ich brauche nur Ihre Daten. Plötzlich hatte er Grundbuchdokumente in der Hand, die er gleich wieder in die Tasche steckte. Sie werden dort leben, daran ist er ja schon gewöhnt. Mit Ihnen. Sie sind doch seine Eltern, machen wir uns nichts vor. Alles ist ganz logisch. Ich bin ja doch um einiges älter als Sie, zwanzig Jahre vielleicht? Wenn er jetzt allein bleibt (meine Frau? sie ist schon vor langer Zeit gestorben, als er sechs war, ein Sturz … wir hatten einen … äh … Unfall, ich erzähle es Ihnen später, lassen wir’s jetzt, hören Sie mir einen Augenblick lang zu, lassen Sie mich erklären), wenn er jetzt allein bleibt, ist er ein Waise. Ich bin krank, da, mein Bauch, den nächsten Frühling werde ich vielleicht nicht mehr erleben. Nein, das ist nicht schlimm, ich habe das Meine getan. Was? Verkehrsingenieur, Autobahnbrücken und -kreuze. Aber es muss ja nicht so sein, nicht wahr? Er hat doch noch Eltern. Sie! Sie sind seine Eltern. Vergessen Sie, was war. Wir wollen doch alle drei nur sein Bestes, nicht wahr? Sagen wir es so, er kann noch zwanzig Jahre lang Vater und Mutter haben. Ich meine nicht, die Zeit zurückdrehen, nichts Mystisches, so was liegt mir fern, ich mache Ihnen einen ganz konkreten Vorschlag, einen ganz einfachen Plan unterbreite ich Ihnen. Ich habe auch Geld auf seinen Namen zurückgelegt, er soll Ihnen nicht zur Last fallen. Ich werde Sie auch entschädigen. Ich werde die Wohnung in der Smuts-Straße auf Sie überschreiben. Wo wohnen Sie? Levinsky-Straße? Auf der Levinsky-Straße habe ich eine Straßenbrücke gebaut … dann ziehen Sie halt in den Norden um, ist ja nicht schlimm. Ein schöner Boulevard. Gegenüber der Synagoge. Sie können dort wohnen. Mit ihm gemeinsam. Das ist aber keineswegs zwingend, nein! Nein! Sie können auch nur mal anrufen, nachfragen,
Weitere Kostenlose Bücher