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Emil

Emil

Titel: Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Burstein
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wie’s ihm geht, er kann auch allein dort weiterwohnen, ganz wie es sich ergibt, ich mache Ihnen da keine Vorschriften! Ich möchte nur, dass er weiß, dass er nicht allein ist, wenn ich nicht mehr da bin. Dass er Ihre Telefonnummer hat, wenn er etwas braucht … Ich werde Ihnen Handys kaufen, ich werde Ihnen die Bilder ins Handy stellen, ich habe an alle Details gedacht, Sie können sich nicht vorstellen, welches Glück es ist, dass man geht und das Kind auf einem weichen Kissen landet. Wir haben eine einmalige Chance, sagen wir, Sie sind die ganzen Jahre, wie soll man sagen, Eltern in Reserve gewesen. Sie haben im Hintergrund auf ihn gewartet. Welche Hochachtung ich vor Ihnen habe, dass sie gewartet haben, dass Sie all die Jahre gewartet haben. Ich bin kein rührseliger Mensch, aber am liebsten würde ich Sie umarmen, so viel schulde ich Ihnen, Sie haben mein Leben gerettet, Sie haben uns ein großes Geschenk gemacht, wir … Der Vater klopfte ihm leicht auf die Schulter. Sie blicken ihn an, dann einander. Joel kam zu sich, stopfte das Toilettenpapier in seine Tasche. Jetzt habe ich mich siebenunddreißig Jahre für Sie um das Kind gekümmert, jetzt übernehmen Sie ihn, und die Sache hat sich. Den juristischen Teil werden wir regeln, das ist keine große Sache. Anders geht es ja nicht, es wäre doch nicht logisch, dass ein Kind allein auf der Welt bleibt, wenn es zwei Eltern hat, und noch dazu in derselben Stadt, so nahe, nicht wahr? So viele Gefahren lauern hier … es bleibt keine Zeit … es kann auch morgen geschehen, schrie er plötzlich, oder nächsten Monat, wer weiß.
    Er wischte sich den Schweiß ab, fing jedoch gleich wieder zu schwitzen an. Auch sie wischten sich den Schweiß ab. Das Meer war so nahe. Kein Lüftchen regte sich. Sie saßen am Meer, zitternd.

Die Stadt
    Das Meer wird sie überfluten. Zunächst nur am Saum. Wie der schmutzige Saum eines weißen Mädchenkleides, den man zunächst zu säubern versucht, dann aber nicht umhin kommt, den Saum ganz wegzukürzen. Aus den Häusern blubbert schon Salzwasser, Schiffe fahren ostwärts, gegen die Strömung. Zunächst die Stützpfeiler, dann das erste Stockwerk, als würde an einem riesigen Thermometer die Quecksilbersäule immer weiter ansteigen, je mehr der Kranke, vor sich hin phantasierend, vor Fieber glüht. Die Vögel fühlen die Bedrohung und flüchten in die Berge. Insektenschwärme wandern weg von der Sonne. Und der Meeresspiegel steigt. Wie das Tropfen eines Wasserhahns im Hof. Doch der Hahn selbst ist von Wasser bedeckt. Ein großer, riesiger Hahn. Mit einem Kilometer Durchmesser. Und man hört nicht, wie er das Wasser aufnimmt. Es hinauspresst. Tropfen für Tropfen. Nach vielen Jahren schwimmen in den Dachwohnungen Fische, vorbei an den verlassenen Aquarien, heimgekehrt ins Meer, das sie wie ein Geschenk umhüllt. Und auf allen Dächern Ablagerungen von Salz. In den Wolkenkratzern und zwischen ihnen Schwärme von Blauwalen. An der Oberfläche des weiten Meeres steigen bisweilen riesige Blasen auf, untergegangene Städte, nach Luft ringend, erstickend. Große Goldmünzen sind tief in dickem Sand versunken, unter zerborstenen Truhen mit rostigen Schlössern, unter buglosen Schiffen. Weit weg ruht ein Schlüssel auf dem Meeresgrund, die ganze Last des Wassers auf ihm. Und die Ertrunkenen schweben lautlos, gemächlich vorbei, als würden sie langsam, stehend, schwimmen.

[ ], [ ], Joel
    Sie saßen am PC mit dem grünen Schirm, ein antikes Stück mit langsamem Internet. Levinsky-Straße 117, Tel Aviv. [ ] öffnete den Mund, um etwas zu sagen, sie bedeutete ihm zu schweigen, als gelte es, den PC nicht bei der Arbeit zu stören. Ihre Blicke waren auf den grünen Schirm geheftet. Lass ihn arbeiten …, und wie ein fetter Raubvogel mit behäbigen Flügeln auf einer unsichtbaren Brücke kreischend durch die Lüfte hinkt, schlich die E-Mail durch die Kabel, flog durch die dünnen Drähte. Eineinhalb Sekunden später war der Vogel bereits auf dem Fenstersims gelandet und in die Wohnung hereingestürzt.
    Noch bevor er die Mail öffnete, wusste er, dass sie von ihnen war. Dann klickte er sie an. Nur ein Wort stand darin, das sie auf Englisch geschrieben hatten für den Fall, dass sein Display Probleme mit dem Hebräischen hätte:
No
.

[ ]
    Die Sache war die, dass die Leute überhaupt nicht kapierten, wo sein Problem lag. Denn er hatte ja kein Kind zur Welt gebracht. Die wenigen, die fragten, wandten sich an
sie
, fragten
sie
. Und nach einigen Jahren

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