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Emil

Emil

Titel: Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Burstein
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Sache noch schlimmer. Nein, dachte er, und zog das Laken mit aller Kraft heraus, nein. Legte sich auf die nackte Matratze und sagte sich, ich schlafe so. Ohne Laken, ohne Kissen. Rau. Seine Finger strichen über die Oberfläche der neuen Matratze. Man konnte die Federn hindurchspüren.

    An jenem Morgen hatte Schula, seine Mutter, angerufen. Er hatte gehört, wie der Vater ihr zuflüsterte: Braucht er was? Das Wichtigste ist, ins Leben zurückzukehren. Da gibt’s eine Heiratsvermittlerin, die schon schwierigere Fälle gelöst hat … erinnerst du dich an die Nachbarin, die Witwe … es ist einen Monat her, Hauptsache, sich nicht gehen zu lassen … Und Joel hatte gesagt: Was, was, ich höre nichts, die Leitung ist gestört, und hatte aufgelegt.
    Joel legte sich hin. Vor einigen Tagen hatte ihm der Verkäufer in der ›Schlafmöbelwelt‹ gesagt: Ist die Matratze für einen Jungen? Ein Mädchen?, und Joel entgegnete mit verhaltener Wut, Nein, für mich selbst, und der Verkäufer sagte, Warum stehen der Herr dann in der Jugendabteilung?, und Joel trat von dort den Rückzug in die Erwachsenenabteilung an. Dort gab es jedoch nur Doppelbetten, und er wollte den Verkäufer fragen, was denn jemand wie er tun solle, das Wort Witwer wagte er nicht einmal in Gedanken zu artikulieren, tat es doch, um es gleich wieder zu löschen. Warum ging man immer davon aus, dass Menschen ab einem gewissen Alter Teil eines Paars sind, in einem Doppelbett schlafen, zwei Kinokarten, zwei Flugkarten kaufen, ›Preis pro Person im Doppelzimmer‹, ein Tisch für zwei, zweisitzige Fahrräder. Diese und ähnliche Bilder stiegen in Joels Vorstellung auf, während er im Laden auf der Mustermatratze lag, die Beine ausgestreckt, um, mit den Worten des Verkäufers, zu fühlen, ›wie bequem das ist‹. Und er wusste, dass sein Zustand äußerst beschämend war. Wie in Panik herumkreisend nach einer verlorenen Brieftasche zu suchen, dabei immer wieder den Leuten zu sagen, um die Panik zu erklären: Ich habe meine Brieftasche verloren, ich habe meine Brieftasche verloren, und man glaubt einem nicht, man wird für verrückt gehalten, Brieftasche.
    Plötzlich erschrak er. Fühlte, wie Hände seine bestrumpften Füße massierten, er fuhr auf, sah eine chinesische Verkäuferin in die Massage vertieft, sagte: Was soll das, der Verkäufer versuchte ihn zu beruhigen, Das ist eine Reflexzonenmassage, entspannen Sie sich, Sie werden sehen, wie herrlich das ist, Ihr ganzer Körper lastet auf den Fußsohlen, sie wird ihnen die Meridiane öffnen, hierzulande ist das unbekannt, wir haben sie eigens aus China hergebracht, mit der Eisenbahn … Joel war einerseits zutiefst verlegen, spürte andererseits eine heftige Wonne aufsteigen aus seiner noch nie zuvor massierten Fußsohle, sagte, nicht nötig, nicht nötig, und der Verkäufer sagte, während er der Verkäuferin mit der Hand bedeutete weiterzumachen, ihr beiläufig einige Worte auf Chinesisch hinwarf: Ja, gleich ist es vorbei, gleich ist es vorbei, das geht auf Kosten des Hauses, die Dame kommt eigens aus China, war einen Monat mit dem Zug unterwegs, beleidigen Sie sie nicht, sie würde es sich sehr zu Herzen nehmen, sehr zu Herzen, fügte noch einige Worte auf Chinesisch hinzu, Das verpflichtet Sie keineswegs, eine Matratze bei mir zu kaufen …
    Das Doppelbett im Ausstellungsraum der ›Schlafmöbelwelt‹ war wirklich sehr bequem. Noch nie hatte Joel auf einem so bequemen Bett geschlafen, so fest und stützend, dass er nur noch den Wunsch verspürte, die Augen zu schließen, einzuschlafen, und mit jedem Druck auf die Wohlfühl- oder Schmerzpunkte an seiner Fußsohle versank er ein wenig tiefer, auf einer Wolke aus grauer Wolle an der schmalen Grenze zwischen Schlafen und Wachen schwebend. Er hörte gerade noch den Verkäufer sagen: Am liebsten würden Sie schlafen, nicht wahr? Wollen Sie ein schönes Kissen, gönnen Sie sich doch ein halbes Stündchen Schlaf. Ohne etwas entgegnet zu haben, spürte Joel, wie sein Nacken von kraftvollen Fingern hochgehoben und ein Kissen unter seinen Kopf gesteckt wurde. Er war entzückt, denn zeit seines Lebens hatte er nur ein dünnes, flaches Kissen mit Stockflecken gekannt, das seinen Nacken jahrelang deformiert hatte, so flach, dass es die Bezeichnung Kissen gar nicht verdiente, das hier war etwas unerhört Neues, ein bequemes Kissen, bequem war kein Ausdruck, füllig seinen Kopf und Hals stützend, ohne dass er darin versank, elastisch und doch den Nacken haltend, und die

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