Emil
Heftblatt hervorragen, es war doppelt gefaltet, und ein Auge blickte ihn an. Der Vater stiehlt wohl von Touristen Spielzeug und Souvenirs und bringt sie dem Kind. Er wollte seinem Ärger Ausdruck geben, legte jedoch stattdessen seine Hand auf die schwarzen Locken. Den heißen Kaffee hatte er schon vergessen. Er wollte nur raus. Tatsächlich nahm nun die Frau das Kind auf den Rücken. Unaufgefordert klemmte sich Joel die Krücken unter einen Arm. Sie waren ganz leicht. So schritten sie zu zweit, vielmehr zu dritt, bis zum anderen Ende des Ganges und begannen, die Leiter hinaufzusteigen. Er hielt sich mit einer Hand fest. Die Helmlampe erlosch. Seine Fingerknöchel leuchteten ein wenig in der Dunkelheit auf, als er von Sprosse zu Sprosse griff. Da hörte er auch das andere Kind hinter sich hinaufsteigen.
3
Joel – Emil
Auf dem Nachhauseweg beschloss Joel, Emil gleich anzurufen und ihm endlich zu erzählen, wie er beabsichtigt habe, ihn zurückzugeben, wie er schließlich heute seine Eltern in deren Wohnung aufgesucht habe. Als er in ihre Straße einbog, sah er Emil vor sich hin singend auf ihr Haus zugehen. Er ging leise ein Stück hinter dem Jungen her, wie er es dreißig Jahre zuvor auf ebendiesen Steinplatten getan hatte. Schließlich rief er seinen Namen. Emil drehte sich um und sagte lächelnd: Gerade habe ich an dich gedacht, und zog die weißen Kopfhörer aus dem Ohr. Joel fragte ihn, ob er eine Runde drehen wolle, sie stiegen ins Auto und fuhren schweigend durch die Gegend. Emil, der knapp eine Stunde zuvor den Sänger Shlomo Artzi mit einer Elektrogitarre in der Hand über den Boulevard hatte gehen sehen, sagte schließlich zu Joel: Du wirst es nicht glauben, wen ich in unserer Straße gesehen habe. Aber Joel fragte nicht, wer es gewesen sei.
Einen Augenblick lang dachte Joel daran, zu ihrem Wohnhaus zurückzukehren und einfach auf der Hauptstraße an ihm vorbeizufahren. Um zu sehen, ob sie vielleicht das Haus schon niedergerissen hatten. So was ging ja schnell. Binnen einer Stunde. Ein Bulldozer, etwas Dynamit. Er hatte das Gefühl, es würde etwas geschehen, wenn sie gemeinsam dort vorbeiführen. Der Vater oder die Mutter würden noch dort sein. Und ihn erkennen. Sie beide. Oder auch nicht. Es war ihm, als müsste die Begegnung unbedingt stattfinden. Ein Kontakt. Ein Blick. Alles, nur nicht so eine Distanz. Er stellte sich bereits vor, wie er langsam auf der Brücke an allen schmutzigen Rollläden vorbeiführe, langsamer würde, und das Fenster würde sich öffnen, sobald er die Bremse berührte. Und dann beschleunigte er. Emil sah ihn lange an und sagte: Papa, und Joel, der völlig versunken war, entfuhr etwas wie: Ha, und Emil sah ihn an und sagte, Sag mal, warum läufst du so herum?, und Joel sagte, Was? Was meinst Du?, und Emil blickte ihn einen Moment prüfend an und sagte dann, Ich meine, mit der Decke um die Schultern?, und mit zwei Fingern ergriff er ihren Rand, und Joel erschrak, holte dann Luft und entgegnete, Ach so, das, und verkniff ein wenig die Lippen, und sagte dann: Die ist für dich, und urplötzlich wendete er das Auto, während die Ampel auf Gelb stand, in die entgegengesetzte Richtung und fuhr zurück.
Lea
Noch bevor ich eintrat, wusste ich schon, welches es sein würde. Ich hätte es nicht beschreiben können, aber ich erkannte es sogleich.
Als sich die Tür öffnete und sie hineingingen, gab es kein Zögern, keinen Blick nach rechts oder links. Ihre Augen öffneten sich in die Augen des Kindes, und es sah sie an, als hätte man es aus einer entfernten Zimmerecke beim Namen gerufen. Joel, der ihrem Blick gefolgt war, fragte mit deutlicher Skepsis: Dieses da?, denn sie hatten sich auf ein Mädchen geeinigt, und warum ein so dunkles Kind …
Und jemand sagte (daran konnte sich Joel erinnern), dass er zwei Tage alt sei, brandneu, weiß noch nichts von der Welt, der kleine Dummkopf, nicht wahr? Als Lea ihn ansah, senkte er den Blick, und sie ging zum Bett und las flüsternd den Namen ihres Sohnes. Und versuchte wieder, sich auszurechnen, wann sie theoretisch schwanger geworden wäre. Um eine Antwort parat zu haben. Nur für den Fall, dass man sie danach fragte. Noch bevor sie den Parkplatz der Adoptionsbehörde, die neben dem Krankenhaus lag, verlassen hatten, gaben sie ihm vorläufig den Namen, den seine Eltern, die ihn verlassen hatten, ihm wirklich gegeben hatten. In der Windel hätten sie einen zusammengefalteten Zettel hinterlassen, hatte die Schwester erzählt. Nur ein
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