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Emilia Galotti - Textausgabe und Lektüreschlüssel

Emilia Galotti - Textausgabe und Lektüreschlüssel

Titel: Emilia Galotti - Textausgabe und Lektüreschlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G.E. Lessing
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äußert, spricht er abwechselnd von der Arbeit »an einem Trauerspiel« – so an Moses Mendelssohn am 22. Oktober 1757 14 – und von einer »Tragödie« – so an Friedrich Nicolai am 25. November 1757 15 . Nun gilt allgemein das deutsche Wort Trauerspiel als Ersatzwort für den altgriechischen Terminus Tragödie. Doch ist der Wechsel der Bezeichnung mehr als eine sprachliche Übersetzung.
    Ein wichtiger Bezugspunkt aller Diskussionen, die über die Bedeutung des Theaters und über die verschiedenen Arten des Dramas geführt wurden, sind bis heute die Griechen, bei denen sowohl die Komödie als auch die Tragödie entstanden ist und bei denen beide Dramentypen einen kulturellen Gipfelpunkt erreicht hatten. Im Lauf der Zeit setzte sich dann der Gedanke durch, dass »die Gattung, die aus einem ganz andern Kulturkreis […] in das Europa der Renaissance importiert wurde, […] der Interpretation und Adaption« 16 bedurfte. Es ging nicht mehr an, die Schicksale antiker Helden und deren Beziehung zu den griechischen Göttern auf die Bühne zu bringen, wenn man das zeitgenössische Publikum für sich gewinnen wollte. Auch die Erklärung des Aristoteles, dass die Tragödie »Furcht und Schrecken« hervorrufe und dadurch eine »Reinigung der Affekte« 17 bewirke, konnte nicht einfach aus dem Weltbild der Griechen mit ihrem Götter- und Schicksalsglauben in die mitteleuropäische Vorstellungswelt des 18. Jahrhunderts übertragen werden.
    Für Lessing, der die Diskussion über die Bedingungen und Möglichkeiten des Theaters seiner Zeit entscheidend prägte, bestand »die ganze Kunst des tragischen Dichters« darin, »unsere Fähigkeiten, Mitleid zu fühlen«, 18 zu erweitern. Er schreibt:
    »Der mitleidigste Mensch ist der beste Mensch, zu allen gesellschaftlichsten Tugenden, zu allen Arten der Großmuth der aufgelegteste. Wer uns also mitleidig macht, macht uns besser und tugendhafter, und das Trauerspiel, das jenes thut, thut auch dieses, oder – es thut jenes, um dieses thun zu können.«
    Von dieser grundsätzlichen Position ist auch das Vorhaben geprägt, das zu
Emilia Galotti
, einem »Trauerspiel in fünf Aufzügen«, führte.
    Lessing übernahm einen Stoff, der aus der Antike stammte und der schon mehrfach bearbeitet worden war. Doch wollte er diesen weder zu einer Tragödie alten Stils noch zu einem Historienstück gestalten. Er versetzte die Geschichte, in der sich ein Vater gezwungen sieht, seine eigene Tochter zu töten, in eine Zeit und in eine Umgebung, von der sein Publikum eine Vorstellung haben konnte. Das, was auf der Bühne geschieht – der Tod Appianis, die ausweglose Lage Odoardos, der Tod Emilias –, sollte bei den Menschen seiner Gegenwart Mitleid erwecken.
    Um das zu erreichen, bedient sich Lessing durchaus solcher Mittel, die sich auch schon im antiken Theater bewährt hatten. Doch bedeuteten ihm die so genannten Regeln, die in den Poetiken überliefert waren, keine dogmatisch zu befolgenden Anweisungen, sondern handwerkliche Möglichkeiten, um den höher veranschlagten Zweck zu erreichen.
    Die erste Konzeption der
Emilia Galotti
war darauf ausgerichtet, den »Preis für eine Tragödie in deutscher Sprache« 19 zu gewinnen. Als Lessing später das lange liegen gebliebene Stück vollendete und auf die Bühne brachte, wollte er damit der Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel einen Wunsch erfüllen, die ihn »um eine neue Tragödie gequält« 20 hatte. Ziel der Überlegungen war also, mit dem Stück
Emilia Galotti
vor Instanzen zu bestehen, die Kenntnis von der antiken Tragödie hatten und die nun etwas Neues, aber Vergleichbares erwarteten: ein Trauerspiel.
    Fraglich war, mit wem das Publikum Mitleid haben sollte. In der antiken Tragödie – so etwa im
König Ödipus
von Sophokles – waren es Herrscher und Herren, die dem Schicksal und den Göttern ausgeliefert waren und deren Ende Furcht und Schrecken erregte. Im Mittelpunkt des Trauerspiels von Lessing steht eine junge Frau, die bis zu diesem Tag im Haus der Eltern wohnte, die genau an diesem Tag einem Grafen vermählt werden soll und die dann an diesem Tag ihren Bräutigam und das eigene Leben verliert. Der Blickpunkt hat sich entscheidend verschoben. Nicht der adlige Prinz ist Mittelpunkt des Stücks – er wird im Personenverzeichnis erst an vierter Stelle genannt –, sondern Emilia Galotti und deren Eltern Odoardo und Claudia Galotti, die konsequenterweise die ersten Stellen im Personenverzeichnis einnehmen.
    Lessings Vorhaben war von

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