Emilia - Herzbeben
Mia aufgewühlt und stellte sich zwischen die beiden. »Redet mit mir!«
Alva stand wütend auf und schrie zurück: »Ich wünsche mir ganz sicher nicht, dass ihr Vater verschwindet!«
»Wenn mir nicht sofort jemand sagt, was los ist …«, schrie Mia, wurde jedoch von Ramon unterbrochen.
»Sags ihr!«, rief er Alva wütend zu und deutete mit dem Finger auf sie. »Sag ihr, was er vorhat!«
Mia sah Alva erschrocken an und spürte, wie sich der Raum hinter ihr mit Menschen füllte. Dieses Geschrei hörte man bestimmt bis zum anderen Ende des Sees. Alva erwiderte Mias Blick gequält, zögerte noch einen Moment und redete dann ohne Halt, bis sie fertig war: »Er hat vor, sich seine Macht zurückzuholen und sich in Recedere zurückzuverwandeln, um Angors Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er will gegen ihn kämpfen und ihn vernichten, was bedeutet, dass er seine dunkle Energie absorbieren muss, so, wie Angor es mit deinem Vater gemacht hat. Dadurch würde er aber nicht mehr in einem menschlichen Körper leben können und … sterben.«
Mia blieb das Herz stehen.
»Er will sich opfern«, hängte sie noch leise an, »um dich zu schützen.«
Sie musste unter Schock stehen, denn sie konnte sich nicht bewegen. Sie konnte nicht atmen und nicht einmal zwinkern. Ihr Körper fühlte sich eiskalt an. Doch in ihr regte sich etwas, das sie nur zu gut kannte. Ein Kampf. Gewaltig und kraftvoll wie ein tosendes Meer, das sich gegen die Realität auflehnte. »NEIN!!«, schrie auf einmal so laut, dass ihre Stimme schrill durch den Raum gellte. »Nein!! Das tut er nicht!«
»Es tut mir leid, Mia«, sagte Alva verzweifelt. »Das ist das, was ich gesehen habe.«
Mia riss ihren Körper zu Ramon herum. »Wo ist er?«, schrie sie. Doch bevor er darauf antworten konnte, verlangte ihre keifende Stimme: »Halte ihn davon ab!« Sein erschrockenes Gesicht machte sie wütend.
»Ich kann nicht, Mia!«, rief er aus. »Ich kann dich nicht allein lassen. Ich habe ihm versprochen …«
»Das ist mir egal!«, kreischte sie. »Halte ihn davon ab! Bitte!«
Sein Blick schnellte hilflos und panisch zwischen Alva und Mia hin und her. »Das kann ich nicht!«, schrie er. »Ich kann nicht einfach verschwinden! Wenn dir etwas passiert! Ich kann nicht!«Sein Zwiespalt riss ihm sichtbar die Seele in Fetzen.
Mia suchte verzweifelt nach einer Lösung. Doch das Einzige, das ihr einfiel, war, ihn mit allen Mitteln, die sie zur Verfügung hatte, davon zu jagen. Sie musste ihm seinen Zwiespalt nehmen und ihm einen Grund geben sie zu verlassen. Einen guten Grund. Sie musste ihn wütend machen. Ihn anlügen und verletzen. Sie musste alles versuchen. Er war der Einzige, der ihren Vater retten konnte. »Ich will, dass du verschwindest!«, schrie sie ihn mit einem solchen Hass in ihrem Gesicht an, dass er vor ihr zurückwich. »Ich brauche dich nicht und ich will dich nicht! Ich kann auf mich allein aufpassen! Diese Schatten können mir nichts tun und mit Vampiren werden wir auch ohne dich fertig. Ich will dich hier nicht haben!«, schlug sie ihm entgegen. »Ich kann ganz gut ohne dich leben, aber nicht ohne meinen Vater! Verschwinde endlich!«
Sie war eine gute Lügnerin, denn sie hatte ihm mit diesen Worten sichtbar und spürbar das Herz aus der Brust gerissen und es in der Luft zerfetzt. Ihr standen die Tränen in den Augen. Nicht vor Angst oder Zorn, sondern weil sie seinen Schmerz spürte. Er ging so tief, dass er ihn völlig zerstörte. Sie war sein Lebensinhalt. Das fühlte sie jetzt so deutlich wie nie.
»Mia, ich …«, sagte er leise, seine Stimme war nur noch ein zersprungener Rest seiner Selbst.
Es tat ihr so leid. So unendlich leid. »Hau ab!«, schrie sie und fing auf einmal so bitterlich an zu weinen, dass ihre Stimme versagte. »Ich hasse dich!«, piepste sie. »Verschwinde aus meinem Leben!«
In seinen Augen sammelten sich ebenfalls Tränen. Und dann ging er endlich. Er stieß die Schüler beiseite, die ihm im Weg standen und verließ den Raum. Mia japste nach Luft, wischte sich das Gesicht trocken und ging ihm nach. Auf dem Schiffsdeck stieg er auf die Reling, kniete sich hin und blickte starr in die Nacht. Mia drängte sich zwischen den Schülern hindurch und trat noch einmal an ihn heran. In dem Moment drehte er den Kopf zu ihr um und sah sie an. Ihm lief eine Träne aus dem Augenwinkel, als er leise sagte: »Wenn das vorbei ist, verschwinde ich wieder, Mia. Ich verspreche es dir.« Dann stieß er sich ab und sprang so weit nach oben, dass
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