Emilia - Herzbeben
unheilvoll.
Ramon schien alles aus dem Gesicht zu fallen. Er blickte Alva mit aufgerissenen Augen an, was wirklich unheimlich wirkte, weil sie sich jetzt tiefschwarz färbten. »Das kann nicht sein«, hauchte er entsetzt. »Er lässt seine Tochter nicht im Stich.«
Alva hob die Hände. »Das habe ich auch nicht gesagt. Ich kenne den Grund für seine Abwesenheit nicht. Es klang nur so … nein, schon gut. Ich wollte damit keine Behauptung …« Alva stand jetzt auf und klappte die Karte zusammen.
Doch Ramon schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, wodurch er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit erlangte. Dann legte er seine Hand auf ihre und sah ihr tief in die Augen. »Du konntest ihn damals spüren, oder?«, fragte er. »Damals, als er gekommen ist, um Aina zu töten. Er hat mir davon erzählt. Er hat dein Gesicht gesehen.«
Alva nickte ängstlich.
»Kannst du das wieder?«
Jetzt entzog sie ihm ihre Hand und schüttelte wild und abwehrend mit dem Kopf. »Als ich das das letzte Mal getan habe, hat es mich fast das Leben gekostet! Ich werde mich nicht noch mal in ihn hinein fühlen!«
Ramon packte sie bei den Schultern. »Er ist nicht mehr wie früher!«, sagte er. »Diese gewaltige, dunkle Energie ist nicht mehr vorhanden! Angor hat sie absorbiert, als er ihn vernichtet hat. Seine Kraft hat gerade noch dafür gereicht, einen toten menschlichen Körper zu besetzen und als Vampir zurückzukommen.«
Sie schüttelte immer noch abwehrend mit dem Kopf. »Alva, wenn du es nicht freiwillig tust, werde ich dich dazu zwingen«, drohte er. »Ich muss wissen, wo er ist! Ich kann ihn nicht spüren. Er blockiert mich. Ich brauche deine Hilfe!«
»Denkst du, wenn du ihn nicht spüren kannst, kann ich es?«, fragte sie ihn. »Ich bin nicht auf die Art mit ihm verbunden, wie du.«
Ramon sah sie verzweifelt an und das zerriss ihr wirklich das Herz. »Du musst es versuchen«, sagte er und klang dabei tatsächlich bittend und nicht fordernd. »Er ist ihr Vater! Sie braucht ihn! Wie soll sie je mit dem, was sie ist, zurechtkommen, wenn er nicht da ist?«
Alva senkte den Blick und dachte an Mia. Sie sah ihr trauriges Gesicht vor sich und sagte sofort: »Hol sie her. Ich brauche sie dafür.«
Ramon war sofort verschwunden. Er lief nach oben, rannte an all den Schülern vorbei, die ihm wie immer mit bewundernden Blicken und Gedanken nachblickten und lief auf das Deck des Schiffes. Sie musste hier oben irgendwo sein. Er spürte sie deutlich. Ihre Gedanken, ihr jagendes Herz und das Kribbeln in ihrem Bauch. Er blickte witternd zur Seite und sah sie an der Reling stehen. Mit Jona. Er brummte missmutig. Was fand sie nur an diesem Warmduscher?
»Vielleicht solltest du dich besser von mir fernhalten«, sagte sie traurig zu ihm. »Ihr alle.«
Jona lachte. »Warum? Weil du so eine Art Halbteufelin bist?«
Mia sah ihn ernst an. »Ja«, sagte sie. »Ich bringe euch alle nur in Gefahr. Du bist fast gestorben, als dieser Schatten …«
Jona rückte jetzt näher an sie heran, was eine wilde Aufruhr in Ramon auslöste. »Hör mal, Mia. Du bist nicht für uns verantwortlich, okay? Wir tragen ganz allein die Verantwortung für das, was wir tun oder lassen. Ich hätte mich auch anders entscheiden und nicht auf das Feld laufen können. Aber das habe ich nicht, weil ich es nicht wollte. Es war ganz allein meine Verantwortung und meine Entscheidung. Nicht deine.«
Mia sah ihn an und lächelte milde.
»Das Einzige«, sagte Jona jetzt seufzend, »das mich von dir fernhalten könnte, ist Ramon.«
Sie blinzelte irritiert. »Ramon?«
Jona stützte sich auf der Reling ab und blickte auf das Wasser. Der Mond spiegelte sich in den Wellen und zauberte ein belebtes Funkeln in die Dunkelheit. »Ja«, seufzte er. »Ich will mich nicht mit ihm anlegen. Es ist doch ziemlich offensichtlich, dass ich keine Chance gegen ihn hab.«
Mia verstand immer noch nicht, was er meinte und blickte ihn immer noch fragend an.
Jona hob erklärend die Hand. »Naja, ihr seid doch zusammen, oder nicht?«
Jetzt fiel sie aus allen Wolken! Nicht nur, weil er vermutete, dass sie mit Ramon zusammen war, sondern dass überhaupt jemand die Vermutung anstellte, dass sie mit jemandem zusammen sein könnte ! Sie! Eine Beziehung! Seine Gedanken waren ja noch viel hirnverbrannter, als ihre. Sie starrte ihn mit offenem Mund an und konnte es nicht fassen. Das einzige, was sie hervorbrachte, war: »Hä?«
Jona lachte über ihr Gesicht. »Entschuldige«, sagte er und hob die Hände. »Es
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