Emilia - Herzbeben
Anerkennung und Wertschätzung und auch die Dankbarkeit entgegen bringen, die sie verdienten. Indem sie stark war und das, was sie ihr gaben, annahm und nutzte, anstatt es wegzuwerfen und zu beschimpfen. Sie wollte sie nicht verspotten. Sie wollte ihnen zeigen, dass ihre Bemühungen wertvoll waren und sinnvoll. Sie wollte ihren Eltern nicht das Gefühl geben, dass sie einen deprimierten, einsamen, schwächlichen Jammerlappen groß gezogen hatten. Sie wollte, dass sie stolz waren und ihnen zeigen, dass sie ihren Job gut gemacht hatten. Dass sie alle gut in dem waren, was sie taten. Ob es nun Schutz war, ein Versuch sie aufzuheitern, eine Lebensweisheit oder eine Standpauke. Sie gaben ihr so viel. Und sie nahm immer nur und gab ihnen nichts zurück. Nicht einmal Anerkennung oder Dankbarkeit. »Es tut mir leid«, sagte sie zu Malina und sie meinte es wirklich ernst. »Und … danke.«
Malina lächelte ein wunderhübsches Lächeln und stieß Mia neckisch mit dem Ellenbogen an. »Schluss mit Trübsal blasen, okay?«
Mia nickte und lächelte ebenfalls. Malina stand jetzt auf, doch an ihre Stelle traten sofort Mias Freunde. Nadja setzte sich zu ihr und Jona nahm direkt vor ihr im Schneidersitz Platz. Die anderen standen um sie herum. Die Stimmung lockerte spürbar auf. Sie unterhielten sich, sprachen noch einmal den Plan ab und verabredeten sich jetzt schon zum Eisessen, wenn sie wieder zu Hause waren. Sie gaben Mia das Gefühl, dass alles gut gehen würde und jetzt, wo sie ihre Aufheiterungsversuche wertschätzte, funktionierten sie auch. Sie fing schon selbst an daran zu glauben,doch dieser kleine, entspannte Glücksmoment hielt nicht lange an.
Irgendwann sprang Nadja auf und machte ein entsetzliches Gesicht. Panik war darin zu erkennen. Sie rang nach Luft. Mia sah erschrocken zu ihr auf und bemerkte im selben Moment, wie sich Jona auf dem Fußboden abstützte und ebenfalls hastig nach Luft schnappte. Jan und Mike stand die nackte Angst in den Augen und Emma stolperte rückwärts durch den Raum, panisch, hilfesuchend, nach Luft ringend. Mia sprang auf. Alle im Raum waren in heller Aufruhr. Ihre Körper zitterten und Todesangst stand in ihren Gesichtern. Mia hörte heftigen Regen gegen das Schiff donnern, das jetzt gefährlich zur Seite kippte. Viele stolperten und fielen hin, stießen sich an den Tischen und Stühlen. Blitze zuckten draußen auf und lautes Grollen drang bis tief in ihre Knochen. In diesem Moment rasten Kell und Malina an ihnen vorbei wie zwei schwarze Blitze und liefen hinaus aufs Deck. Mia lief ihnen hinterher, obwohl sie ihr zuriefen, dass sie drinnen bleiben sollte. Der Regen peitschte ihr schmerzhaft ins Gesicht und der Wind fühlte sich an, als würde er ihre Haut aufschneiden. Über ihnen grollte ein ohrenbetäubendes Gewitter und es war so neblig, dass man kaum drei Meter weit sehen konnte.
»Das müssen mindestens 10 sein!«, rief Malina in dem Getöse und drehte sich ängstlich im Kreis.
Mia sah sich entsetzt um. Sie konnte kaum etwas erkennen, aber sie hörte zwischen dem Donnern des Gewitters das bekannte, kehlige Knurren. Es kam aus allen Richtungen. Auf einmal schlug etwas auf dem Schiff ein. Es knallte und ließ den Boden unter Mias Füßen unruhig erzittern. Dann sah sie drei Gestalten in dem Nebel. Sie näherten sich Kell und Malina.
»Mia, geh rein!«, schrie Kell.
Mia hörte jedoch nicht auf ihn und ging ein Stück zur Seite, um besser sehen zu können, was sich vor ihr abspielte. Drei Männer standen da. Nur wenige Meter von ihnen entfernt. Sie sahen unheimlich aus. Bleich wie der Mond und voller Hass. Ihre Mundwinkel waren hinunter gezogen und ihre schwarzen Augen funkelten wild und mordlustig. Sie trugen schwarze Mäntel, die im Sturm hin und her flatterten, doch die Garderobe die sie darunter trugen, sah fast prunkvoll aus. Goldene Knöpfe ziertenihre dunkelroten Westen, Ketten waren daran befestigt und an ihren Stiefeln funkelte etwas Silbernes, das aussah, wie das Symbol, das Alvas geheimes Buch zierte. Mia drehte sich unruhig um und sah, wie drinnen ihre Freunde erstickten. Als sie sich panisch wieder den Männern zu wandte, hielt ihr der Frontmann seine Hand ausgestreckt hin. Seine Handfläche deutete nach oben. Mia sah ihm erschrocken ins Gesicht. Er wollte, dass sie mitkam.
»Deinen Freunden wird nichts geschehen«, sagte der Mann ruhig und zog die nachfolgenden Worte so lang, dass sie nicht nur wie eine Warnung, sondern wie ein Befehl klangen, »wenn du mitkommst.«
Weitere Kostenlose Bücher