Emilia - Herzbeben
über die Eltern.« Kell wusste, dass er nicht grundlos angeheuert worden war. Er und seine Schwester waren die besten Jäger, die die Organisation hatte. Sie verfügten über sehr nützliche Fähigkeiten und eine umfangreiche Lebenserfahrung, was sie zu wirklich guten Spürnasen machte. Ihnen entkam nie jemand. Egal, wie gut er sich versteckte. Doch dieses Mal schien es sich um jemanden von einem größeren Kaliber zu handeln. Und dieser jemand war nicht dumm. Er hatte an alles gedacht. Normalerweise hinterließen die, die sie jagten, irgendwelche Spuren, selbst, wenn es nur kleine und scheinbar unbedeutende Dinge waren. Doch Kell und Malina führte jeder noch so kleine Hinweis direkt zum Ziel, was mitunter an Malinas Talent lag in jedem Gegenstand oder Ort Informationen über die Vergangenheit spüren und sehen zu können. Doch auch diese Spuren hatte er verwischt, was in Kell mehr und mehr die Vermutung aufkommen ließ, dass sie hier etwas viel Größerem auf der Spur waren, als sie alle dachten. Die Energie, die er gespürt hatte, war mit nichts zu vergleichen. Undbisher hatten sie nur einen einzigen Hinweis. Wer auch immer sich an dieser Schule ausgetobt hatte, hatte es auf diesen Jungen abgesehen. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, warum jemand ein solches Maß an Macht und Energie nutzte, um ein Kind zu ermorden, aber das würde er herausfinden.
Die Stadt lag noch im Chaos. Die Schatten, die vor ihnen durch die Straßen geschlichen waren, um alles abzusuchen, hatten deutliche Spuren hinterlassen. Als sie vor dem Krankenhaus hielten, betrachteten sie kurz die Menschen, die nach dem Unwetter versuchten die Normalität wieder herzustellen. Manche Ampeln funktionierten immer noch nicht, so dass der Verkehr durch Verkehrspolizisten geregelt werden musste, Fensterscheiben wurden repariert, Straßen aufgeräumt. Sie waren wie kleine Rädchen im Getriebe der Welt, die das Leben am Laufen hielten. Selbst, wenn es durch ein unerklärliches Phänomen gestört wurde. Sie nahmen die Erklärungen zu dem Unwetter in den Nachrichten einfach so hin, hinterfragten sie nicht und gingen weiterhin ihrem Alltag nach, als sei nie etwas vorgefallen. Sie waren so blind, dachte Kell sich, als er mit Malina durch das Krankenhaus ging. Sie sahen nicht, was sich wirklich um sie herum abspielte. Niemand sah es.
Es dauerte nicht lange, da hatten sie das Zimmer des Jungen gefunden. Seine Mutter stand mit verweinten Augen an seinem mit Luftballons behangenen Bett, als Kell hereinkam. Das Kind, das er befragen wollte, war an zahlreiche Geräte angeschlossen, die piepsten und surrten. Als die Mutter sich überrascht zu Kell umwandte, wurde sie schon von Malinas Blick erfasst, so dass sie nun, genauso wie zuvor die Bauarbeiter, erstarrte und in einen hypnotischen Zustand fiel. Sie bekam nicht mit, was Kell jetzt mit ihrem Sohn machte.
»Stefan«, flüsterte Kell leise in das Ohr des Jungen und setzte sich neben ihn auf das Bett, »aufwachen, Kleiner.«
Plötzlich riss der Junge die Augen auf und rang nach Luft, woraufhin die Geräte wild lospiepten. Doch Kell machte nur eine kleine Handbewegung und sie waren wieder still.
»Sieh mich an, Stefan.«
Der Junge blickte Kell nach Luft ringend und mit großen Augenins Gesicht.
»Erzähl mir genau, was an diesem Tag passiert ist, als das Unwetter eure Schule verwüstet hat.«
Stefans Augen huschten plötzlich hin und her und seine Stirn legte sich in Falten. Er stammelte: »Ehm, äh, ich … ähm.«
Im Flur gingen einige Schwestern an der Tür vorbei. Doch sie kamen nicht herein. »Was hast du gesehen?«, fragte Kell weiter. Er versuchte in seinen Kopf hinein zu lauschen, doch ihm kam nur Dunkelheit und Stille entgegen.
»Ich, … ähm, … eh.« Er schnaubte panisch. »Nichts, ich … nichts. Nichts. Es ist … alles schwarz …«
Kell sah ihn nachdenklich an. Jemand hatte seine Erinnerungen gelöscht. Doch er brauchte irgendeinen Anhaltspunkt. Er war sich sicher, dass dieser Junge in irgendeinem Zusammenhang mit der Verwüstung der Schule stand und dass er irgendetwas über die Person wusste, die dafür verantwortlich war. Er überlegte kurz und fragte dann: »Hattest du einen Feind? Gab es einen Schüler, der dich geärgert hat oder den du oft geärgert hast?«
Plötzlich bewegte sich die Brust des Jungen hastig auf und ab. Seine Augen rissen sich noch weiter auf. »M …«, machte er, »M … ich … weiß nicht.«
»Jemand Merkwürdiges«, half er ihm auf die Sprünge. »Jemand mit
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