Emilia - Herzbeben
ihr tödliches Netz tappten. Ihre Schönheit war eine gefährliche Falle. Sie waren so ahnungslos. Und so wehrlos. Sie strich mit einem Finger über seine Halsschlagader und sah ihm dabei tief in die Augen. »Du wirst nicht schreien«, hauchte sie, »nicht wahr?«
Der Mann schüttelte wie in Trance mit dem Kopf.
»Gut.« In dem Moment riss Malina ihn an sich und schlug ihm mit einem kehligen, gierigen Knurren ihre Zähne so tief in den Hals, dass sein Blut schwallartig in ihre Kehle schoss.
Kell durchquerte indessen das Gebäude, bis er an den Räumen ankam, die er suchte. Und obwohl er jemanden darin hörte, zögerte er nicht einzutreten. Eine Frau stand dort an einem Schreibtisch und sortierte Unterlagen in einen Karton ein. Sie trug einen Helm von den Bauarbeitern. Nur zur Sicherheit. Falls Teile von der Decke der verwüsteten Schule bröckelten. Als sie Kell hereinkommen sah, machte sie ein empörtes Gesicht. »Die Schule ist vorübergehend geschlossen!«
»Danke für den Hinweis«, sagte er nur, kam auf sie zu und stützte seine Hände auf dem Tisch ab. »Ich will den Namen des Jungen«, forderte er und bohrte ihr dabei seinen Blick in dieängstlichen, graugrünen Augen, »der von dem Sturm erfasst wurde. Und die Namen aller Kinder, die in seine Klasse gehen. Die Namen seiner Freunde und die aller dazugehörigen Eltern. Alles auf einer schicken Liste.« Dann lächelte er und sah zu, wie die Frau wie in Trance zu den Aktenordnern lief, um ihm die Informationen, die er verlangte, zu geben. Währenddessen lehnte er sich gegen den Tisch und betrachtete sich das Lehrerzimmer. Es war unordentlich und roch nach kaltem Rauch und Kaffee. An den Wänden hingen zahlreiche, eingerahmte Klassenfotos der letzten Jahrgänge. Kell betrachtete sie sich von dort aus. Als er jedoch bemerkte, dass aus dem aktuellen Jahrgang ein Foto fehlte und an dessen Stelle die Tapete einen weißen, viereckigen Fleck aufwies, ging er hinüber und sah sich die anderen Fotos des Jahrgangs an. Auf keinem der Fotos konnte er den Jungen entdecken, der zur Zeit im Krankenhaus lag.
»Wo ist das Klassenfoto des Jungen?«, fragte er sofort.
Die Frau hielt sofort inne und sagte: »Es ist zerbrochen. Wir wollten es neu einrahmen, aber nun können wir es nicht mehr finden.«
Jetzt wandte er sich stirnrunzelnd zu ihr um. »Haben Sie ein Negativ?«
Sie sah ihn ängstlich an. »N … normalerweise haben wir Negative. Aber auch dieses können wir nicht finden. Wir müssen wohl ein neues Foto machen.«
In dem Moment kam seine Schwester herein.
»Jemand war hier«, sagte er sofort zu ihr und deutete auf die kahle Stelle an der Wand. »Das Klassenfoto des Jungen fehlt.«
Malina dachte kurz nach und hob dann skeptisch eine Augenbraue. »Anscheinend hast du Recht gehabt.« Ihr war klar, dass es nicht der Junge war, nach dem sie suchten und dass sie es auch nicht auf einen seiner Klassenkameraden abgesehen hatten. Aber einer der Schüler in seiner Klasse wusste etwas. Und irgendjemand wollte nicht, dass sie diesen Jemand fanden.
Kell ging zu der Frau, schnappte sich die Listen, die sie zusammengestellt hatte und fragte sie noch, in welchem Krankenhaus der Junge lag. Dann sah er ihr tief in die Augen und suggerierte ihr mit ruhiger Stimme, dass sie alles vergessen sollte,was in den letzten Minuten passiert war. Einschließlich sein Gesicht und das seiner Schwester. Daraufhin nickte die Frau. Als er dann mit Malina wieder das Gebäude verließ, gab er ihr eine der Listen und sagte: »Lass die Eltern überprüfen. Ich übernehme die Kinder. Wir statten zuerst dem Jungen einen Besuch ab. Er muss irgendetwas gesehen haben.«
Draußen auf der Bank saßen mit gesenkten Köpfen die Bauarbeiter und schienen zu schlafen. »Tot?«, fragte Kell beiläufig, hörte aber im nächsten Moment die Herztöne der Männer.
»Du kennst mich, Kell. Ich hinterlasse keine Spuren«, sagte Malina selbstbewusst und grinste ihren Bruder an.
Er lachte kurz und sah sich noch einmal um. »Wer auch immer das war, verwischt seine Spuren«, sagte er dann.
»Ja, und einer der Schüler weiß über diesen Jemand Bescheid, was bedeutet, dass die Spuren dieses Schülers mit 100%iger Wahrscheinlichkeit ebenso verwischt wurden. Er wird nicht mehr auf der Liste stehen wird und schon längst über alle Berge sein«, schlussfolgerte Malina und hielt ihren Zettel hoch.
»Dann werden wir diesen Jemand über die anderen Schüler finden«, sagte Kell und stieg mit Malina in seinen BMW ein. »Oder
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