Emilia - Herzbeben
Nachhauseweg fragten sie sie nach den Städten aus, in denen sie schon gelebt hatte. Walt hatte ihnen offenbar von ihren ständigen Umzügen erzählt. Sie berichtete von den Metropolen, die schon ihr zu Hause gewesen waren und sie hörten ihr so aufmerksam zu, dass Mia vor Verlegenheit manchmal vergaß, was sie eigentlich sagen wollte. Sie halfen ihr dann aber mit neuen Fragen auf die Sprünge. Sie waren nett. Sie waren so nett. Und so falsch. Doch das war es wert. Allein schon wegen des überraschten Gesichtes ihrer Mutter, als sie nach Hause kam. Sie hätte es am liebsten fotografiert, denn sie hatte sie noch nie so glücklich gesehen. Ihre Tochter hatte Freunde! Wahrscheinlich hatte sie schon gar nicht mehr daran geglaubt.
Jan schloss mit Patrick in Null Komma Nix Mias Computer an und die Mädchen setzten sich mit Mia auf ihr Bett, während Jona sich still ans Fenster stellte und hinaus sah.
»Deine Mutter ist so hübsch!«, schwärmte Emma.
»Sie hat ja auch einen hübschen Vater«, erwähnte Nadja mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Hey, hey!«, rief Patrick in die Runde, während er den Monitor anschloss. Er hatte eine tiefe, polterige Stimme. »Der ist ´n bisschen zu alt für dich, Lady!«
Alle lachten.
»Vielleicht hat sie es aber auch von ihrer Mutter«, sinnierte Emma.
Mia senkte den Kopf. »Das kann ich nicht sagen. Sie ist schon tot.«
Plötzlich waren alle still.
»Oh, tut mir leid, Mia.«
Mia sah sie einen Moment lang an und war gerührt darüber, dass sie sich bei ihr entschuldigte. Das hatte noch nie jemand getan. »Ist schon gut«, sagte sie. »Ich habe sie nie kennengelernt.«
»Hast du keine Fotos?«, fragte Nadja.
Mia blieb still. Was sollte sie jetzt sagen? Dass es so etwas wie Fotos in ihrer Familie nicht gab? Sie besaß keine Fotos. Weder von ihrer Mutter noch von ihrem Vater oder von sonst wem aus ihrer Familie. Sie machten nie Fotos. »Ähm, nein«, murmelte Mia und sah beschämt zum Fenster. Jona blickte sie die ganze Zeit an. Dann fiel ihr plötzlich die Schatztruhe ihrer Mutter ein. Schnell ging sie hinüber und öffnete sie, um das alte Foto ihrer Mutter zu suchen, damit sie wenigstens etwas zum Zeigen hatte. Doch der Rahmen war fort. Und auch die anderen Fotos waren alle verschwunden. Mia stand ratlos vor der Truhe.
»Er läuft!«, rief Jan auf einmal. »Muss nur noch installieren …«
»Das mach ich «, rief Patrick und schob Jan zur Seite. »Geh weg!« Jan war groß. Er war zwar sehr schlank, aber er wirkte trotzdem kräftig. Patrick hingegen war eher klein, doch er schaffte es, Jan vom Stuhl zu schmeißen, ohne ihn großartig zu berühren, was ein wirklich merkwürdiges Bild war. Jan fiel auf den Po und seine langen Beine flogen in die Luft.
Mia sah die beiden erschrocken an, doch die Situation wurde von allen mit amüsiertem Gelächter überspielt. Nur Lara sprang vom Bett auf und motzte Patrick beleidigt an: »Mir verbietet ihrdas, aber ihr macht es dauernd selber! Das ist nicht fair!«
Patrick sah sie groß an. Sein Blick wanderte kurz erschrocken zu Mia rüber und dann motzte er zurück: »Ich hab gar nichts gemacht! Wovon redest du überhaupt?«
»Lüg mich nicht an! Ich hab's genau gesehen! Du hast …«
Plötzlich sprang Jan auf, schnappte sich Lara und zerrte sie zur Tür. »Wir holen uns etwas zu trinken. Will noch jemand was?«
Doch bevor jemand antworten konnte, zog er schon die Tür hinter sich zu.
Mia sah Nadja und Emma irritiert an, doch sie lachten nur. Ein falsches, überspitztes Lachen. Was war da gerade passiert, dass sie es so offensichtlich überspielen mussten? Patrick installierte nun stumm die Software und Jona stand weiterhin am Fenster und beobachtete sie. Nur manchmal warf er ein oder zwei Worte in das Gespräch ein, das Emma und Nadja nun übertrieben fröhlich fortführten. Irgendetwas verbargen sie vor ihr. Doch Mia konnte sich die Situation nicht erklären. Als dann irgendwann alles installiert war und auch das Internet lief, machten sie sich schließlich wieder auf den Weg.
Mia konnte diesen Tag nicht fassen. Es war mit Abstand der merkwürdigste Tag, den sie je erlebt hatte. Und es hatte in ihrem Leben schon viele merkwürdige Tage gegeben. Sie musste erst einmal alles sacken lassen und analysieren, bevor sie am Abend zu Bett ging. Außerdem wollte sie noch ein wenig über diese Schule recherchieren. Diese Gang , zu der sie jetzt gehörte, kam ihr sehr merkwürdig vor.
Mia fand bei ihren Internetrecherchen schnell heraus, dass Walt
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