Emilia - Herzbeben
drückte ihn ihr in die Hand. »Ich wünsche dir viel Spaß, Schatz!« Sie schob sie aus der Tür, sagte ihr noch, wann sie zurück sein sollte und schloss die Tür hinter ihr.
Mia stand völlig perplex im Vorgarten, ließ sich von Nadja zum Auto ziehen und blickte noch einmal zurück. Wahrscheinlich führte ihre Mutter gerade einen Freudentanz da drin auf. Endlich hatte ihre Tochter Freunde! Endlich lebte sie ein normales Leben! Und wenn sie ehrlich war, hätte sie im Moment am Liebsten selbst vor Freude getanzt!
Sie fuhren in die Innenstadt und hielten etwas weiter vom Kinoentfernt direkt vor einer Pizzeria. Mike sagte, dass sie dann nachher nicht so weit mit ihren vollen Bäuchen laufen mussten, was Mia logisch erschien. Von dort aus liefen sie zum Kino und unterhielten sich über Schule, Klamotten, Klassenkameraden und anderen belanglosen Kram. Mia konnte sich nicht so recht auf die Gespräche konzentrieren. Der Schrecken saß ihr immer noch in den Gliedern. Als sie das Kino betraten, einigten sie sich schließlich alle auf einen Actionfilm, holten sich noch Popkorn und Getränke und setzten sich dann in den Kinosaal. Mia bekam jedoch vor lauter Aufregung kaum etwas von dem Film mit. Es war das erste Mal, dass sie mit Freunden aus war. Allein diese Tatsache versetzte sie in Aufruhr. Doch was sie noch viel nervöser machte, war Jona. Er saß neben ihr und sein Arm berührte ihren. Ob unbeabsichtigt oder mit Absicht, wusste sie nicht. Sie war nur froh, dass sie den Schrecken von zu Hause für eine Weile ablegen konnte, so dass sie diesen Moment genießen konnte. Sie würde zwar später nicht mitreden können, wenn sie sich über den Film unterhielten, aber das war ihr völlig egal. Sie roch Jonas Parfum, atmete es ganz tief ein und war im siebten Himmel. Manchmal drehte er den Kopf etwas zur Seite und sah sie an. Seine Augen leuchteten in dem Flimmerlicht des Films auf, wie Sterne. Mia fühlte sich, als seien all ihre Sorgen und Probleme auf einmal von ihr abgefallen. Vampire, Schatten und Anti-Vampir-Kraut existierten nicht mehr. Es gab nur noch Jona. Und sie. Und diesen Moment. Er brannte sich für immer in ihr Herz ein. Sanft und doch beständig.
Erst auf dem Weg zur Pizzabude machte sich wieder der Schrecken in ihr breit, denn es dämmerte bereits und an vielen Fenstern der Geschäfte und Wohnungen brannten Lichterketten. Hier und da sah sie Schilder, die das Lichterfest ankündigten und fast jeder, der ihnen begegnete, trug mindestens eine Einkaufstasche bei sich, auf der ein großer Schriftzug zu sehen war: »Rüste dich für das Lichterfest!« In den Geschäften, an denen sie vorbei gingen, lagen Lichterketten in jeder Form und Variante aus, überall gab es Angebote an Lichtern, ob elektronisch oder klassisch als Kerzen oder Öllampen. Lichter, wo sie nur hinsah. Alles leuchtete und blinkte. Sogar, als sie in die Pizzeria gingen,sah sie Lichter. Sie hingen in Form von Stangen von der Decke.
Jona fiel zuerst auf, dass Mia immer stiller und nachdenklicher wurde. Und er sprach sie direkt an, als sie an ihrem Tisch saßen und auf ihre Pizza warteten. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er. Und er sah ernsthaft besorgt aus.
Mia nickte nur abwesend. »Ich denke über etwas nach«, murmelte sie und sah aus dem Fenster. Lichter. Überall Lichter.
»Lässt du uns daran teilhaben?«, fragte Nadja neugierig.
Mia sah sie alle drei an. Sollte sie es wagen mit ihnen darüber zu sprechen? Konnte sie ihnen vertrauen? Oder sollte sie lieber warten und erst einmal allein herausfinden, was in ihrer Familie verflucht noch mal los war? Sie schienen sehr interessiert zu sein. Sie lösten ihre Blicke nicht von ihr und sie fühlte sich so gut dabei. Beachtet. Wichtig. Interessant. Es fühlte sich unbeschreiblich schön an, Freunde zu haben, die sich für einen interessierten. Also sagte sie irgendwann: »Ich glaube, meine Familie hat ein Geheimnis.«
Ihre Blicke wurden neugieriger. »Echt jetzt? Erzähl!«, forderte Mike sie auf.
Mia überlegte kurz, wo sie anfangen sollte. »Ich bin in dieser Stadt geboren. Am 16. August. Und genau in dem Jahr, in dem das Unwetter war und das Lichterfest gegründet wurde.«
Jetzt öffneten sich ihre Münder vor Schreck. »Ach was«, sagte Mike staunend. »An diesem Tag?«
Mia nickte. »Ich habe mich immer gefragt, warum meine Mutter so oft Ängste hat. Sie fürchtet sich sehr vor Unwetter. Als wir aus der letzten Stadt weggezogen sind, sind wir vor so einem Unwetter regelrecht
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