Emilia - Herzbeben
Schultern.
Mia dachte an ihre Mutter, die auch immer wollte, dass sie normal war und ein normales Leben lebte. »Ich glaube, meineMutter kann das auch nicht.«
Jetzt sah er sie interessiert an.
»Ich entspreche auch nicht der Norm«, sagte sie und hob den Blick, »wie du dir sicher denken kannst«, schob sie ein.
Jona lachte. »Was soll eigentlich so toll daran sein, einer Norm zu entsprechen? Das wäre doch langweilig, wenn alle Menschen gleich wären, oder?«
Mia lächelte glücklich. »Aber es ist einfacher«, sagte sie daraufhin. »Man wird nicht ausgegrenzt, gehört dazu.«
»Ja, zu den Hohlköpfen, die sich von der Flimmerkiste verblöden lassen und oberflächlichen Dünnpfiff labern, weil sie von nichts ne Ahnung haben«, sagte Jona spöttisch. »Sehr erstrebenswert.« Dann lachte er.
Mia lachte ebenfalls. Er hatte Recht. Was war so toll daran, normal zu sein? So, wie alle Teenager, die sich nur für Handys, Klamotten und Disko interessierten und vom Rest der Welt nichts mitbekamen? Da gehörte sie lieber zu denen, die mehr über die Welt wussten, als normale Menschen, weil sie sich auch für mehr interessierten . Sie war froh, dass sie diese Jugendlichen getroffen hatte, denn sie hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass es in Ordnung war, nicht normal zu sein.
»Hast du sonst noch irgendwas von mir gesehen?«, fragte Jona jetzt neugierig.
»Nur eine Szene, in der du meinem Großvater die Hand schüttelst. Aber die ist schon passiert. Ich habe also anscheinend wirklich die Zukunft gesehen.« Sie konnte nicht fassen, was sie da sagte.
»Ja, höchstwahrscheinlich«, murmelte er nachdenklich und sah dabei sehr besorgt aus.
Mia sah ihn ängstlich an. »Und was sollen wir dann machen?«
Jona hob die Augenbrauen und blieb stehen. »Laufen!«, sagte er. »So schnell und so weit weg, wie wir können.«
Sie glaubten wirklich daran. An diese Wesen und die Geschichte dahinter. Und auch Mias Zweifel, dass es diese Wesen tatsächlich gab, verflüchtigten sich langsam. Obwohl sie wirklich gern einen Beweis gehabt hätte oder irgendetwas, das es ihr leichter machte, daran zu glauben.
Plötzlich hörten sie ein Pfeiffen aus der Ferne.
»Ich glaube, sie haben etwas gefunden«, sagte Jona.
Sie liefen rasch über den Friedhof zu Nadja und Mike, die mit ernsten und verblüfften Gesichtern vor zwei Grabsteinen standen. Mia und Jona stellten sich daneben. Die Gräber waren verrottet und ungepflegt und die Steine waren lieblos in die Erde gerammt. Nadja zeigte auf den einen Stein und las: »Aina Emgau, geliebte Tochter.« Dann zeigte sie auf den anderen: »Walter Emgau, liebender Vater.« Anschließend sah sie Mia an. »Dieser Walter war ihr Vater.«
»Kommt es nur mir merkwürdig vor, dass Aina und Walter ein bisschen klingen wie Anna und Walt?«, fragte Mike und sah seine Freunde einen nach dem anderen an.
»Es wird noch merkwürdiger«, sagte Jona jetzt und zeigte auf einen anderen Grabstein, der rechts neben Walter Emgaus Grab im Boden steckte und dem sie alle noch keine Beachtung geschenkt hatten. »Alva Maria Föster«, las Jona vor.
»Alva??«, rief Nadja. Ihre Stimme gellte über den Friedhof. » Unsere Alva??«
»Psst«, machte Mike.
»Was soll das bedeuten?«, fragte Nadja leise und starrte ratlos die Grabsteine an. »Sind die in Wirklichkeit alle tot?«
»Ich glaube kaum. Sie sehen ziemlich lebendig aus«, scherzte Mike.
»Hey, nicht witzig!«, flüsterte Jona. »Es geht hier um Mias Mutter!«
Mike seufzte und entschuldigte sich bei Mia. Dann sagte er: »Vielleicht haben sie sich offiziell für tot erklären lassen. Diese Grabsteine sehen nicht gerade so aus, als hätte sich jemand Mühe bei dem Begräbnis gemacht.« Dann deutete er mit einer ausladenden Handbewegung auf die ungepflegten Gräber. »Und vermissen tut sie anscheinend auch keiner.«
»Aber warum sollten sie so etwas getan haben?«, fragte Nadja.
»Vielleicht«, flüsterte Jona jetzt gedankenverloren, »wollten sie ein neues Leben anfangen. Mit einer neuen Identität.«
Mia sah die Grabsteine an und sagte nichts. Die Geburtsdaten von Aina und Walter Emgau stimmten mit denen ihrer Mutter undihres Großvaters überein, was bedeutete, dass sie sich tatsächlich hier hatten begraben lassen. Aber aus welchem Grund?
»Und was ist, wenn …«, begann Nadja jetzt zögernd, »sie wirklich hier begraben worden sind?«
Alle sahen sie erschrocken an. »Wie bitte?«, fragte Mike.
»Was, wenn …«, sie schien sich nicht zu trauen die Worte
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