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Emily, allein

Emily, allein

Titel: Emily, allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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zubereiten, und gestern hatte sie die Tomaten-Basilikum-Suppe besorgt, die ihnen im Crockery immer so gut schmeckte.
    «Ich glaube, das steht nicht auf meinem Diätplan», witzelte Betty.
    «Was möchten Sie trinken? Ich habe Ihnen Diät-Pepsi besorgt.»
    «Diät-Pepsi ist prima. Danke.»
    Emily deckte in der Frühstücksecke den Tisch, und als Betty nach unten kam, bediente Emily sie und goss sich eine Tasse Tee ein. Erst als sie sich schon fast gesetzt hatte, fiel ihr ein: Mixed Pickles.
    «Hoffentlich ist alles gut.»
    «Es schmeckt wunderbar, Emily. Danke.»
    «An so einem Tag brauche ich etwas Kräftiges, sonst bekomme ich eine Gänsehaut.»
    «Das liegt daran, dass Sie kein Fleisch auf den Knochen haben - Sie und Arlene.»
    «Arlene isst nichts, sie lebt von Süßigkeiten. Ich esse die ganze Zeit, verliere aber ständig an Gewicht.»
    «Ich wünschte, ich hätte dasselbe Problem.»
    «Das glaube ich kaum», sagte Emily. «Ich habe versucht, es Dr. Sayid zu erklären, aber er glaubt, ich lüge ihn an. Er will mir dieses Nahrungsergänzungsmittel verschreiben, das wie Babynahrung schmeckt.»
    «Ensure. Das benutzen viele Leute.»
    «Ich kann mir nichts Unerquicklicheres vorstellen.»
    «Haben Sie’s schon mal probiert?»
    «Nein, Sie?»
    Betty musste lachen. «Wenn mein Arzt es verlangt, würde ich’s tun.»
    «Okay, ich habe verstanden.»
    «Nach der Sache mit Arlene will ich mir nicht auch noch um Sie Sorgen machen müssen.»
    «Brauchen Sie nicht», versicherte ihr Emily.
    «Versuchen Sie mal, mich zu bremsen. Ach, hab ich ganz vergessen zu sagen. Edgar ist gestorben.»
    «Edgar?» Einen Augenblick konnte sie den Namen nicht zuordnen und befürchtete schon, Gedächtnisprobleme zu haben.
    «Arlenes Edgar.»
    «Ah.» Ein Fisch.
    «Es war sehr traurig. Wir mussten eine Seebestattung vornehmen.» Sie ließ den Finger abwärtskreiseln. «Erstaunlich, dass sie mich nicht angerufen hat.»
    «Sie wird es Ihnen bestimmt noch erzählen.»
    «Bestimmt.»
    «Und jetzt sagen Sie mir mal», forderte Betty sie auf, «wer meint, dass Sie kein Auto kaufen sollten.»
    Es kam selten vor, dass sie die Gelegenheit hatte, sich mit jemandem auszutauschen, der ihre Situation kannte - es kam selten vor, dass jemand daran interessiert war -, und sie stellte Margarets und Kenneths Vorbehalte ausführlich ihren Bedürfnissen gegenüber, als würde sie die Sache einem neutralen Beobachter darlegen. Das war unnötig. Als ihre Freundin hatte sich Betty bereits auf ihre Seite geschlagen.
    «Die beiden machen sich bloß Sorgen um Sie. Sie wollen nicht, dass Ihnen was zustößt.»
    «Oder jemand anderem, ja, ich hab’s verstanden. Ich könnte über Margaret dasselbe sagen, aber ich tu’s nicht.» Als Margaret noch Alkoholikerin war, hatte sie mehrere Unfälle gehabt, und einmal war ihr der Führerschein entzogen worden.
    «Also wirklich, Emily, das ist nicht fair.»
    «Nein, Sie haben recht. Die beiden vertrauen mir nicht. Das kränkt mich am meisten.»
    «Wahrscheinlich ist es einfach zu überraschend für sie. Sie sind lange nicht mehr gefahren.»
    «Weil mir der Olds zu groß war. So große Autos werden heutzutage gar nicht mehr gebaut.»
    «Der ist aber auch wirklich riesig.»
    Wie schön es war, jemanden zu haben, der einem zuhörte, statt alles in Frage zu stellen. Bettys Besuche riefen ihr ins Gedächtnis, wie sehr sie nach einem Gespräch, einem Ratschlag lechzte. Lange war es Louise gewesen, die ihr zugehört hatte, der einzige Mensch, zu dem sie gehen konnte, wenn sie und Henry eine Meinungsverschiedenheit hatten, und das war oft vorgekommen, wegen der Kinder oder wegen Arlene. Betty erfüllte denselben Zweck, aber mit dem zusätzlichen Vorteil, dass sie zugleich wusste, was Arlene machte - eine Art Doppelagentin -, und doch sprach Emily zumeist ganz offen mit ihr, fest davon überzeugt, dass Betty ihre Geheimnisse nirgends herumposaunte. Ihr war klar, dass Betty manches Arlene erzählte, da sie eine direkte Verbindung zwischen ihnen darstellte, aber das war etwas anderes. Sie verließ sich darauf, dass Betty ihr denselben Gefallen tat und ein stetiges Ränkespiel auf niedriger Stufe aufrechterhielt, wodurch ihre Beziehung interessant blieb und sie sich seltsamerweise alle näherkamen.
    Zum Nachtisch gönnten sie sich einen Teller Pfefferminzkekse, doch dann musste sich Betty schon wieder an die Arbeit machen. Trotz ihrer Proteste räumte Emily wie immer den Tisch ab und spülte das Geschirr.
    Am Nachmittag nahm sich Betty das

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