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Emily, allein

Emily, allein

Titel: Emily, allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Arbeit gewaltig im Rückstand, doch sie täten ihr Möglichstes.
    Währenddessen berechnete ihr die Werkstatt, die den Olds abgeschleppt hatte, jeden Tag zwanzig Dollar fürs Unterstellen.
    «Sie hätten ihn stehen lassen sollen», sagte sie zu Arlene, ein bitterer Scherz, den sie auch gegenüber Betty und, am Telefon, gegenüber Margaret und Kenneth machte.
    Obwohl sie auf den Idioten, der ihren Wagen gerammt hatte, wütend war und dies auch immer sein würde, war das wenigstens ein Unfall gewesen. Es spielte eigentlich keine Rolle, dass er Fahrerflucht begangen hatte. Auch wenn er geblieben wäre und sich entschuldigt hätte, hätte sie wegen der staatlichen Praxis der Verschuldensunabhängigkeit genauso in der Tinte gesessen.
    Die größte Wut sparte sie sich für die Leute auf, die ihr, laut rechtmäßigem Vertrag, eigentlich helfen sollten. Jahrelang hatten sie ihr Geld im Gegenzug für ein Versprechen erhalten, und wehe, wenn sie einmal zu spät gezahlt hatte. Doch jetzt, wo sie diese Leute am dringendsten brauchte, waren sie nirgends zu finden. Es rief ihr ins Gedächtnis, dass sie Henrys lächerliche Krankenhausrechnung erst einen Monat nach seiner Beerdigung erhalten hatte, und was sie über sich ergehen lassen musste, bis alles bezahlt war. Besonders ärgerlich war, dass dieses Ausweichen vor der Verantwortung deren Geschäftsmodell war und die Politiker nichts dagegen unternahmen.
    «Worin liegt denn der Unterschied zum letzten Mal?», fragte Kenneth, als wollte er sie auf die Palme bringen.
    «Letztes Mal konnte ich mein Auto so lange fahren, bis der Scheck kam.»
    «Können Sie dir keinen Leihwagen geben?»
    «Woher soll ich das wissen? Wenn ich anrufe, habe ich immer bloß jemanden vom Kundendienst dran, der Gott weiß wo sitzt und mir nichts sagen will.»
    Seiner Ansicht nach sollte sie darauf hoffen, dass es auf einen Totalschaden hinauslief. Dann würde sie einen Scheck bekommen, und die Versicherung würde ihr den Wagen abnehmen, sodass sie sich nicht mit der Reparatur herumschlagen und ihn in Zahlung geben musste, denn das war immer ein Verlustgeschäft.
    «Aber ich dachte, du willst ihn haben», sagte sie.
    «Wollte ich auch, weil du ihn loswerden wolltest. Aber jetzt brauchst du dich vielleicht gar nicht darum zu kümmern, und das ist gut so. Wir haben hier sowieso nicht genug Platz.»
    Insgeheim war ihr der Gedanke gekommen, der Wagen könne ein stilles Band zwischen ihm und Henry darstellen. Sie begriff nicht, wie Kenneth mir nichts, dir nichts darauf verzichten konnte, es sei denn, er wollte sie bloß beschwichtigen - das war immer möglich. Schließlich war er der Sohn seines Vaters.
    Margaret sah darin ein Zeichen. Seit ihrer letzten Entziehungskur war sie überzeugt, dass alles aus einem Grund geschah, und sah bei jedem Zufall das Schicksal am Werk, als sei kosmische Vorbestimmung die einzig annehmbare Erklärung dafür, wie ihr Leben gelaufen war. Auch wenn es stimmte, dass durch den Unfall in der Garage Platz für ein neues Auto entstanden war, hatte Emily eine striktere Vorstellung von freiem Willen.
    Ungeachtet dieser hochgestochenen Mutmaßungen war die unmittelbare Folge, dass Arlene sie überall hinfahren musste, der reinste Albtraum, bei all dem, was sie zu erledigen hatten. In neun Tagen war Weihnachten, und Emily hatte das Gefühl, dass ihr die Zeit davonlief. Wenn Margaret und die Kinder da waren, würde sie ein Auto brauchen, und sei es nur, um sie vom Flughafen abzuholen. Ein Mietwagen war verschleudertes Geld, also ließ sie sich aus, wie sie hoffte, rein praktischen Beweggründen von Arlene ein letztes Mal zu Baierl Subaru in einer Querstraße der McKnight Road kutschieren und kaufte zum Ausverkaufspreis einen kobaltblauen ‘07er Subaru Outback-Kombi. Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht, dennoch wusste sie, dass der Wagen sie wahrscheinlich überdauern würde. Sie war sich nicht sicher, ob Henry ihr Verhalten verstünde. Ihre Eltern würden sie bestimmt nicht verstehen. Allein die Mehrwertsteuer betrug mehr, als ihr Vater für seinen zuverlässigen Plymouth ausgegeben hatte. Es war der höchste Scheck, den sie je ausgestellt hatte, und als sie ihn abriss und dem Händler gab und dann die unverschämte Zahl in die Ausgabentabelle eintrug, befürchtete sie, einen großen Fehler begangen zu haben.
     
    Kleenex
     
    Beim Herauszupfen des Papiertuchs wurde die Schachtel mit angehoben und fiel, als das Tuch herauskam, leer wieder auf den Toilettenspülkasten. Emily schnauzte sich

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