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Emily, allein

Emily, allein

Titel: Emily, allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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einer funkelnden Schneeschicht bedeckt, weiß wie ein Stück Seife. Henry hätte sein gutes Stück nie dem Spiel der Elemente preisgegeben, aber statt ein schlechtes Gewissen zu bekommen, staunte Emily bloß wieder darüber, wie unpraktisch das alte Schiff war. Marcias Hybridwagen hatte Vorderradantrieb. Emily fragte sich, ob das für Pittsburgh ausreichte. Die Subaru-Kombis, die sie sich im Internet angesehen hatte, waren mit Allradantrieb ausgestattet, vielleicht die klügere Entscheidung, wenn man auf einem Hügel wohnte.
    War es nur die Schönheit des Schnees, die ihr Auftrieb verlieh, das Neue an der verwandelten Welt? Im Haus war sie immer noch gehobener Stimmung, legte Bachs Choralvorspiele auf und zündete ein Feuer an. Sie aß ihre Suppe mit Toast im Schaukelstuhl am Kamin, Rufus neben ihr, auf Krümel lauernd. Er roch nach nassem Hund, auch wenn sie ihm das nie verübeln würde. Seine Nase lief, und unwillkürlich schnellte seine Zunge heraus und leckte alles ab.
    «Also bitte», sagte Emily, «ich esse gerade», und betupfte seine Schnauze mit einer Papierserviette, die sie anschließend in die Flammen warf. «Hoffentlich wirst du nicht krank.»
    Den ganzen Abend über zog es sie ans Fenster. Als sie sich bettfertig machte, spähte sie ein letztes Mal hinaus und sah voll Freude, dass es immer noch schneite, der Garten von der Weihnachtsbeleuchtung der Coles in ein tropisches Hustenpastillenblau getaucht. Im Bett las sie eine Weile bei laufendem Radio und schaltete dann das Licht aus. Der Tag war ein Abenteuer gewesen, und sie erwartete, gut zu schlafen.
    Mitten in der Nacht erwachte sie von einer dröhnenden Erschütterung und zersplitterndem Glas, als wäre unten eine Bombe explodiert. Rufus war wach und bellte drohend. In ihrer Schlaftrunkenheit dachte sie, dass jemand ins Haus eingebrochen sei, und als sie die Brille aufgesetzt hatte, rollte sie sich herum und griff nach der schweren Taschenlampe, die Henry neben dem Bett aufbewahrte, musste aber feststellen, dass die Batterien leer waren. Doch die Taschenlampe war die beste Waffe, die ihr zur Verfügung stand, und als sie Morgenrock und Hausschuhe anhatte, schwang sie sie in Kopfhöhe wie eine Keule.
    Sie stapfte über den Fußboden, als könnte das Geräusch eines großgewachsenen Menschen dem Eindringling Angst einjagen. Rufus tobte an der Schlafzimmertür, bereit, die Treppe hinunterzustürmen und das Haus zu beschützen, als draußen plötzlich ein Motor aufheulte, und dann noch mal, wie bei einem von Margarets zwielichtigen Freunden, der sie ans Fenster rufen wollte.
    Sie kam gerade noch rechtzeitig, um einen riesigen alten Kombi bergab kurven zu sehen, der breite Kegel seines Scheinwerferlichts wild hin und her schwankend, bis der Wagen sich auf ebener Strecke wieder ausrichtete und dann, nahezu ungebremst, in weitem Bogen auf die Highland Avenue schlitterte. Unten stand der Olds schief in der Einfahrt, die Vorderräder auf dem Rasen der Coles. Die Parklücke war mit dunklen Scherben übersät.
    «Um Himmels willen», sagte Emily. «Auch das noch.»
    Die Uhr auf ihrem Nachttisch zeigte halb vier. Sie legte die Taschenlampe beiseite, schaltete ihre Leselampe ein und setzte sich aufs Bett, um die Polizei zu verständigen. Der Polizist wirkte enttäuscht, dass sie das Kennzeichen nicht erkannt hatte, als wäre sie an dem Unfall schuld.
    Als sie aufgelegt hatte, dachte sie, dass er teilweise recht hatte. Bei diesem Wetter hätte sie den Wagen nicht auf der Straße stehenlassen sollen. Sie hätte ihn in der Einfahrt parken oder von Jim in die Garage fahren lassen können. Kenneth hatte kommen und ihn abholen sollen, doch er hatte sie wie immer vertröstet, weil er zu beschäftigt sei, und jetzt war es zu spät. Diese Gedanken führten zu nichts, deshalb stand sie seufzend auf und zog sich am Wäschekorb schmutzige Kleidung an, um nach draußen zu gehen und sich den Schaden genauer anzusehen.
     
    Der reinste Wucher
     
    Es würde eine Weile dauern, den Papierkram zu erledigen. Das ganze Verfahren der Schadensersatzforderung kam Emily hoffnungslos altmodisch vor, dazu musste sie Formulare und Fotos einreichen, dafür sorgen, dass die Polizei ihren Bericht einschickte, und dann warten, bis sich ein Gutachter aus dem örtlichen Büro wagte. Als Emily nach einer Woche anrief und zwanzig Minuten lang in der Warteschleife hing, bevor sie durchgestellt wurde, sagte ihr der Mitarbeiter, mit dem sie schließlich sprach, sie seien wegen des Sturms mit der

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