Emily, allein
etwas zu fressen haben wollte, besonders nachmittags, aber manchmal fraß er nicht alles auf, und sie fragte sich, ob sie auf Dosenfutter umsteigen sollte, obwohl sie befürchtete, dass er dann noch mehr furzen würde.
Das viele Schlafen machte ihr Sorgen - so tief und so lange. Während Emily Probleme hatte, nachts durchzuschlafen, konnte er sich überall dreimal um die eigene Achse drehen, sich zusammenrollen, im Nu alles um sich herum vergessen und wegschnarchen. Er verschwand für mehrere Stunden, pennte im fensterlosen Bad der Kinder, kam dann nach unten getappt, wo er sie in Henrys Arbeitszimmer fand, und legte ihr den Kopf auf den Schenkel, um gestreichelt zu werden. Er wirkte lustlos und bedrückt, und obwohl sie ihn immer noch hänselte, weil er alt und fett war («El Tubbo»), war das kein Witz mehr, und sie tat es behutsam.
Wenn er sich eine Weile hingelegt hatte, fiel es ihm schwer aufzustehen. Mit den Vorderbeinen konnte er sich noch ganz mühelos hochstemmen, doch das Hinterteil bereitete ihm Schwierigkeiten, und das Ganze sah schmerzhaft aus. Es war nicht die bei seiner Rasse übliche Fehlstellung des Hüftgelenks, sondern die Arthritis, die auch sie selbst plagte, wenn sie zu lange da saß und las. Seine Hüften waren einfach steif. Der Tierarzt empfahl Fischölpillen, die so stark rochen, dass Rufus sie verschmähte, wenn man sie ihm nicht unters Futter mischte. Er nahm sie schon seit Monaten, und Emily war sich nicht sicher, ob sie halfen oder ob es überhaupt etwas gab, das half. Sie hatte Mitleid mit ihm. Eigentlich gefiel ihr der Gedanke nicht, und vielleicht bildete sie es sich auch bloß ein, aber er wirkte genauso resigniert wie sie selbst.
Jahrelang war er als Erster aufgestanden, war zu ihrer Seite des Bettes gekommen und hatte sie in der Hoffnung angestarrt, sein Frühstück ein paar Minuten früher zu erhalten, eine Angewohnheit, über die sich Henry geärgert hatte. Jetzt wartete er, bis sie aus der Dusche kam, ehe er sein Nest aus Decken verließ. Er war immer noch gierig, drängte sich an ihr vorbei, wenn sie die Schlafzimmertür öffnete, polterte die Treppe hinunter, wartete dann unten und blickte schwanzwedelnd zu ihr hinauf. Sie nannte ihn Mr. Ungeduld. Mr. Anspruchsvoll.
Wie Duchess vor ihm hatte er die schlechte Angewohnheit, jeden ihrer Schritte vorauszuahnen, doch im Gegensatz zu Duchess war er unsicher und musste sich, obwohl er zur Küche voranging, ständig umdrehen und sich vergewissern, dass sie noch direkt hinter ihm war. Dabei wurde er langsamer und ging in Schlangenlinien, und Emily musste nach links oder rechts ausweichen, um nicht über ihn zu stolpern. Manchmal drehte er sich in dieselbe Richtung und stieß sie fast um, dann stolperte sie und blieb unvermittelt stehen, oder sie verhedderten sich, und Emily saß plötzlich rittlings auf ihm oder fiel quer über seinen Rücken, woraufhin sie sich an der Küchentheke festhielt und brüllte, er solle ihr endlich aus dem Weg gehen.
«Warum machst du das?», fragte sie. «Manchmal könnte ich schwören, dass du mich umbringen willst.»
Es war nicht seine Schuld. Die Küche war klein. Er konnte nichts dafür, dass er ihr vor den Füßen herumlief, erst recht nicht, wenn er aufgeregt war, und obwohl sie Angst hatte zu stürzen - wie ließ sich das vermeiden, wenn die Leute von nichts anderem sprachen? -, fürchtete sie sich eigentlich nur davor, auf der Treppe zu stürzen. Die Treppe war steil und aus glattem, poliertem Hartholz. Sie sah vor sich, wie sie fiel, mehrere Purzelbäume schlug und, Genick und Wirbelsäule ungeschützt, unglücklich mit gebrochenen Knochen landete und dann tagelang nicht gefunden wurde.
Da sie allein lebte, stellte sie sich natürlich vor, auch allein zu sterben. Sie malte sich aus, wie Rufus neben ihr lag und darauf wartete, dass sie aufwachte und ihm etwas zu fressen gab, sah, wie er an ihrem Gesicht schnupperte und bellte. Ihr tat derjenige leid, der sie entdecken würde. Alles sprach für Marcia oder vielleicht Arlene. Beide hatten einen Schlüssel. Was würden sie mit Rufus machen, während sie sich um sie kümmerten? Rufus und Buster kamen nicht miteinander aus, und Arlene war kein Hundemensch. Emily stellte sich vor, dass Margaret ihn nehmen würde. Kenneths Haus mit dem großen Garten hinten wäre besser für ihn, aber da würde Lisa nie zustimmen. Günstigerweise war sie allergisch.
Doch das Ganze war rein hypothetisch - Emily hatte jedenfalls vor, ihn zu überleben. Eine heiklere
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