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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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und Bewegungen waren sehr matt und seine Figur ungemein schmächtig; aber es lag eine Anmut in seiner Art, sich zu geben, die diese Mängel ausglich und ihn nicht unangenehm erscheinen ließ. Nachdem Cathy ihn mit Zärtlichkeiten überschüttet hatte, ging sie zu Mr. Heathcliff, der an der Tür stehengeblieben war und so tat, als ob er hinaussähe; in Wirklichkeit aber beobachtete er, was innen vor sich ging.
    »Und Sie sind also mein Onkel!« rief sie und hob die Arme, um ihn zu begrüssen. »Es war mir gleich so, als wenn ich Sie gern hätte, obwohl Sie zuerst grob zu mir waren. Warum besuchen Sie uns nicht mit Linton? Es ist doch merkwürdig, dass Sie all diese Jahre in so naher Nachbarschaft mit uns leben und uns nie besuchen. Warum haben Sie das getan?«
    »Ich war, bevor du geboren wurdest, ein- oder zweimal zu oft dort«, antwortete er. »Na, verdammt! Wenn du Küsse übrig hast, dann gib sie Linton, bei mir sind sie verschwendet.«
    »Unartige Ellen!« rief Catherine, und flog auf mich zu, um nun mich mit Zärtlichkeiten zu überschütten. »Böse Ellen! Und du hast versucht, mich am Herkommen zu hindern! Aber ich werde in Zukunft jeden Morgen diesen Spaziergang machen, darf ich, Onkel? Und manchmal werde ich Papa mitbringen. Werden Sie sich nicht freuen, uns zu sehen?«
    »Selbstverständlich«, erwiderte der Onkel mit einer nur schlecht unterdrückten Grimasse, die seiner tiefen Abneigung für beide Besucher Ausdruck gab. »Aber warte«, fuhr er fort, sich an die junge Dame wendend, »da ich gerade daran denke, es ist besser, ich erzähle es dir. Mr. Linton hat ein Vorurteil gegen mich; wir haben uns zu einer gewissen Zeit unseres Lebens wild wie die Heiden miteinander gestritten, und wenn du ihm gegenüber erwähnst, dass du herkommst, wird er dir die Besuche überhaupt verbieten. Darum musst du sie nicht erwähnen, es sei denn, dir liegt nichts daran, deinen Vetter auch fernerhin zu sehen. Du kannst kommen, wann du willst, aber du darfst nicht darüber sprechen.«
    »Warum habt ihr euch gestritten?« fragte Catherine ganz niedergeschlagen.
    »Er hielt mich für zu arm, seine Schwester zu heiraten«, antwortete Heathcliff, »und war gekränkt, dass ich sie bekam; sein Stolz war verletzt, und er wird es mir nie verzeihen.«
    »Das ist unrecht«, sagte sie, »ich werde es ihm schon einmal sagen. Aber Linton und mich geht euer Streit nichts an. Ich werde also nicht herkommen, er kann nach Thrushcross Grange hinunterkommen.«
    »Das wird zu weit für mich sein«, murmelte ihr Vetter. »Vier Meilen gehen, das wäre mein Tod. Nein, komm du von Zeit zu Zeit hierher, Miss Catherine; nicht jeden Morgen, aber ein- oder zweimal die Woche.«
    Der Vater warf seinem Sohn einen Blick bitterster Verachtung zu.
    »Ich fürchte, Nelly, meine Mühe wird umsonst sein«, sagte er halblaut, zu mir gewandt. »Miss Catherine‹, wie der Tropf sie nennt, wird seinen Wert bald erkennen und ihn zum Teufel schicken. Ja, wenn es Hareton wäre! Weisst du, dass ich mir mindestens zwanzigmal am Tag wünsche, dass Hareton, trotz seiner Verkommenheit, mein Sohn wäre? Ich hätte den Jungen geliebt, wäre er das Kind eines anderen gewesen. Aber ich glaube, vor ihrer Liebe ist er sicher. Ich werde ihn gegen dieses erbärmliche Geschöpf ausspielen, wenn es sich nicht schnell heranmacht. Er wird wohl kaum achtzehn Jahre alt werden. Zum Teufel mit dem blutlosen Ding! Er denkt an nichts anderes, als trockene Füsse zu bekommen, und sieht sie überhaupt nicht an. — Linton!«
    »Ja, Vater?« antwortete der Junge.
    »Hast du deiner Kusine nichts hier herum zu zeigen, kein Kaninchen und keinen Wieselbau? Nimm sie mit in den Garten, bevor du die Schuhe wechselst, und in den Stall; du kannst ihr dein Pferd zeigen.«
    »Willst du nicht lieber hier sitzen bleiben?« fragte Linton Cathy in einem Ton, der deutlich verriet, dass er keine Lust hatte, wieder hinauszugehen.
    »Ich weiss nicht«, erwiderte sie und warf einen sehnsüchtigen Blick nach der Tür, offensichtlich voller Tatendrang. Er blieb sitzen und rückte näher ans Feuer. Heathcliff erhob sich, ging in die Küche und von dort in den Hof und rief nach Hareton. Der antwortete, und gleich darauf traten die beiden wieder ein. Der junge Mann hatte sich augenscheinlich gewaschen; seine geröteten Wangen und sein nasses Haar verrieten das.
    »Oh, ich werde dich fragen, Onkel«, rief Miss Cathy, sich an die Behauptung der Haushälterin erinnernd. »Das ist doch nicht mein Vetter, nicht

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