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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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erst wenn es dämmerte, ging er bis zum Kirchhof von Gimmerton und dehnte seinen Besuch dort manchmal bis nach Mitternacht aus. Darum war Catherine darauf angewiesen, sich selbst die Zeit zu vertreiben.
    Diesmal war der 20. März ein wunderbarer Frühlingstag, und als ihr Vater sich zurückgezogen hatte, kam meine junge Herrin, zum Ausgehen angekleidet, herunter und sagte, sie habe gefragt, ob sie mit mir am Rande des Moors umherstreifen dürfe. Mr. Linton habe die Erlaubnis dazu erteilt, wenn wir nicht zu weit gingen und in einer Stunde zurück wären.
    »Also, beeil dich, Ellen!« rief sie. »Ich weiss, wohin ich gehen möchte, dorthin, wo sich ein Schwarm Birkhühner niedergelassen hat; ich möchte sehen, ob sie schon am Nestbauen sind.«
    »Das muss ganz hübsch weit sein«, antwortete ich; »die nisten nicht am Rande des Moores.«
    »Nein, es ist nicht weit«, sagte sie. »Ich bin mit Papa ganz nahe dran gewesen.«
    Ich setzte meine Haube auf und machte mich auf den Weg, ohne weiter darüber nachzudenken. Sie sprang vor mir her, kehrte zu mir zurück und lief wieder weg, wie ein junger Windhund. Zuerst hatte ich vollauf damit zu tun, dem Gesang der Lerchen von nah und fern zu lauschen, mich an dem süssen warmen Sonnenschein zu erfreuen und meinen Liebling zu beobachten, meine Wonne, mit ihren goldenen Locken, die im Winde flatterten, ihren lieblichen Wangen, die so zart und rein blühten wie wilde Rosen, und den Augen, in denen sich ungetrübte Freude spiegelte. Sie war in jenen Tagen ein glückliches Geschöpf, ein Engel. Ein Jammer nur, dass sie sich nicht damit zufriedengeben konnte.
    »Nun«, sagte ich, »wo sind Ihre Birkhühner, Miss Cathy? Wir müssten längst da sein; die Parkmauer des Gehöftes liegt schon weit hinter uns.«
    »Oh, ein bisschen weiter, nur ein bisschen weiter, Ellen«, war ihre ständige Antwort. »Steige auf den Hügel dort und geh am Abhang entlang, und bis du an der anderen Seite angelangt bist, werde ich die Vögel aufgescheucht haben.«
    Aber es gab dort so viele Hügel und Abhänge, über die wir steigen mussten, dass ich schließlich müde wurde und ihr sagte, wir müssten haltmachen und unsere Schritte heimwärts lenken. Ich rief sie, da sie mich weit hinter sich zurückgelassen hatte; aber entweder hörte sie es nicht oder achtete nicht darauf denn sie sprang weiter, und ich war gezwungen, ihr zu folgen.
    Schließlich tauchte sie in einer Vertiefung unter, und bevor ich sie wieder zu Gesicht bekam, befand sie sich zwei Meilen näher an Wuthering Heights als an ihrem eigenen Heim, und ich erblickte zwei Menschen, von denen sie angehalten wurde, und war überzeugt, dass einer davon Mr. Heathcliff selbst war.
    Cathy war beim Plündern oder zum mindesten doch beim Aufstöbern der Birkhuhnnester ertappt worden. Die Anhöhen gehörten zu Heathcliffs Grund und Boden, und er machte der kleinen Wilddiebin Vorhaltungen.
    »Ich habe weder welche genommen noch überhaupt welche gefunden«, sagte sie, als ich hinzutrat, und streckte zur Bekräftigung ihrer Worte die geöffneten Hände aus. »Ich wollte sie nicht nehmen; aber Papa hat mir erzählt, hier oben gäbe es Unmengen davon, und ich wollte gern die Eier sehen.«
    Heathcliff blickte mich mit einem boshaften Lächeln an, das besagen wollte, dass er über Miss Cathys Person Bescheid wüsste und ihr folglich nicht wohlgesinnt sei. Wer denn ›Papa‹ sei, fragte er.
    »Mr. Linton auf Thrushcross Grange«, erwiderte sie. »Ich dachte mir, dass Sie mich nicht kennen, sonst hätten Sie nicht so mit mir gesprochen.«
    »Demnach meinen Sie, dass Ihr Papa hoch geachtet und geehrt wird?« fragte er spöttisch.
    »Und wer sind Sie?« erkundigte sich Catherine, den Sprecher neugierig betrachtend. »Den Mann dort habe ich schon einmal gesehen, ist es Ihr Sohn?«
    Sie wies auf Hareton, Heathcliffs Begleiter. Er hatte in den zwei Jahren, die verstrichen waren, lediglich an Grösse und Stärke zugenommen, sonst schien er so linkisch und ungeschlacht wie nur je.
    »Miss Cathy«, unterbrach ich, »nun sind wir schon bald drei Stunden unterwegs. Wir müssen endlich heimgehen.«
    »Nein, dieser Mann ist nicht mein Sohn«, sagte Heathcliff, mich beiseite schiebend. »Aber ich habe einen, und Sie haben ihn auch schon einmal gesehen, und obwohl Ihre Begleiterin es so eilig hat, wird Ihnen beiden eine kleine Rast guttun. Wollen Sie nicht um diesen Heidehügel herumgehen und in mein Haus kommen? Sie werden früher zu Hause anlangen, wenn Sie ausgeruht sind,

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