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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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nicht recht getan hast. Ich sah… Aber hör zu, und du wirst hören, wie ich hinter deine Schliche gekommen bin und hinter Ellens, die mit dir im Bunde ist und die so getan hat, als täte ich ihr leid, wenn ich auf Lintons Rückkehr hoffte und immer so enttäuscht war, wenn er nicht kam.«
    Sie gab einen genauen Bericht von ihrem Ausflug und seinen Folgen, und mein Herr sagte nichts, bis sie ihn beendet hatte, obgleich er mir mehr als einen vorwurfsvollen Blick zuwarf. Dann zog er sie zu sich heran und fragte, ob sie wisse, warum er Lintons nahe Nachbarschaft vor ihr geheimgehalten habe. Ob sie glaube, er werde ihr ein Vergnügen versagen, wenn sie sich daran erfreuen könne, ohne Schaden zu nehmen.
    »Du hast es nur getan, weil du Mr. Heathcliff nicht leiden kannst«, antwortete sie.
    »Dann glaubst du, meine eigenen Gefühle seien mir wichtiger als deine, Cathy?« sagte er. »Nein, es geschah nicht, weil ich Mr. Heathcliff nicht leiden kann, sondern weil Mr. Heathcliff mich nicht leiden kann und weil er ein ganz teuflischer Mensch ist, dem es Freude macht, denen, die er hasst, Schaden zuzufügen und sie zugrunde zu richten, wenn sie ihm den geringsten Anlass geben. Ich wusste, dass du die Bekanntschaft mit deinem Vetter nicht aufrechterhalten konntest, ohne mit ihm in Verbindung zu treten, und ich wusste, sein Vater würde dich um meinetwillen verabscheuen, und deshalb habe ich in deinem eigenen Interesse, und aus keinem anderen Grunde, Vorsorge getroffen, dass du Linton nicht wiedersehen solltest. Ich hätte es dir eines Tages erklärt, wenn du älter gewesen wärst, und es tut mir leid, dass ich es aufgeschoben habe.«
    »Aber Mr. Heathcliff war sehr herzlich, Papa«, bemerkte Catherine, gar nicht überzeugt, »und er hatte nichts dagegen, dass wir uns sehen; er sagte, ich könnte hinkommen, sooft ich wollte, nur sollte ich es dir nicht sagen, weil du dich mit ihm gestritten hättest und ihm nicht verzeihen wolltest, dass er Tante Isabella geheiratet hat. Und das willst du ja auch nicht. Du hast schuld; er erlaubt, dass Linton und ich Freunde sind, aber du nicht.«
    Als mein Herr merkte, dass sie seinen Worten über ihres Onkels schlechten Charakter keinen Glauben schenkte, erzählte er ihr in kurzen Zügen von seinem Verhalten Isabella gegenüber und von der Art, wie Wuthering Heights sein Eigentum geworden war. Er konnte es nicht ertragen, lange bei diesem Gegenstand zu verweilen; denn obwohl er wenig davon sprach, fühlte er immer noch das gleiche Entsetzen und denselben Abscheu vor seinem ehemaligen Feind, den er seit Mrs. Lintons Tod im Herzen getragen hatte. ›Sie könnte noch am Leben sein, wenn er nicht gewesen wäre‹, war seine ständige bittere Überlegung, und in seinen Augen war Heathcliff ein Mörder. Miss Cathy — mit keinen schlechten Taten vertraut, ausser vielleicht ihrem eigenen Ungehorsam und der Ungerechtigkeit und Leidenschaftlichkeit, die ihrem lebhaften Temperament und einer gewissen Gedankenlosigkeit entsprangen und die noch am gleichen Tage bereut wurden — war bestürzt über die Schwärze eines Charakters, der jahrelang Rache brüten und hegen konnte und seine Pläne mit Bedacht und ohne Reue verfolgte. Sie schien so tief beeindruckt und entsetzt über diesen neuen Einblick in die menschliche Natur, der ausserhalb all ihrer bisherigen Erfahrungen und Vorstellungen lag, dass es Mr. Edgar unnötig erschien, den Gegenstand weiter zu verfolgen. Er fügte lediglich hinzu: »Mein Liebling, du wirst nun einsehen, warum ich will, dass du ihn und seine Familie meidest. Kehre jetzt zu deinen gewohnten Beschäftigungen und Vergnügungen zurück und denke nicht mehr daran.«
    Catherine küsste ihren Vater und setzte sich einige Stunden lang ruhig an ihre Schulaufgaben, wie sie es gewohnt war. Dann begleitete sie ihn durch das Grundstück, und der ganze Tag verstrich wie gewöhnlich. Aber als sie sich am Abend in ihr Zimmer zurückgezogen hatte und ich hinging, um ihr beim Entkleiden zu helfen, fand ich sie weinend auf den Knien vor ihrem Bett.
    »O pfui, dummes Kind!« rief ich. »Wenn Sie wirkliche Sorgen hätten, würden Sie sich schämen, auch nur eine Träne über diese Meinungsverschiedenheiten zu vergiessen. Sie haben noch nie auch nur den Schatten einer wirklichen Sorge kennengelernt, Miss Catherine. Stellen Sie sich nur einen Augenblick lang vor, der Herr und ich wären tot und Sie wären ganz allein auf der Welt: wie würden Sie sich dann fühlen? Vergleichen Sie das, was Ihnen jetzt

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