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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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Geliebten schreibt, die nur in seiner Einbildung lebt. Ob sie Catherine befriedigten, weiss ich nicht, mir jedenfalls erschienen sie als recht wertloses Zeug. Nachdem ich so viele durchgelesen hatte, wie mir tunlich schien, band ich sie in ein Taschentuch zusammen, legte sie beiseite und verschloss das leere Schubfach wieder.
    Ihrer Gewohnheit getreu, kam meine junge Herrin früh herunter und ging in die Küche. Ich beobachtete, wie sie bei der Ankunft eines bestimmten Jungen zur Tür trat, und während das Milchmädchen seine Kannen füllte, ließ sie etwas in seine Tasche gleiten und holte etwas anderes heraus. Ich ging um den Garten herum und lauerte dem Boten auf, der das ihm Anvertraute tapfer verteidigte, so dass wir die Milch verschütteten; aber es gelang mir, ihm den Brief abzunehmen, und ich drohte ihm mit den schlimmsten Strafen, wenn er nicht schleunigst nach Hause liefe. Dann stellte ich mich an die Mauer und las Miss Cathys verliebtes Geschreibsel. Es war schlichter und beredter als die Briefe ihres Vetters, sehr niedlich und sehr albern. Ich schüttelte den Kopf und ging nachdenklich ins Haus zurück. Da es regnete, konnte sie sich nicht die Zeit damit vertreiben, im Park umherzustreifen, darum nahm sie, als ihre morgendlichen Schulstunden zu Ende waren, ihre Zuflucht zu dem Schubfach. Ihr Vater saß lesend am Tisch; ich machte mich absichtlich an einigen abgetrennten Fransen der Fenstervorhänge zu schaffen und behielt sie und jede ihrer Bewegungen genau im Auge. Ein Vogel, der zu seinem ausgeplünderten Nest zurückkehrt, das er voll mit zirpendem jungem Leben verlassen hat, kann mit seinem ängstlichen Geschrei und Geflatter nicht tiefere Verzweiflung ausdrücken als sie durch ein einfaches »Oh!« und den Wechsel in ihren eben noch so glücklichen Zügen. Mr. Linton blickte auf.
    »Was ist dir, Liebling? Hast du dir weh getan?« sagte er. Sein Ton und sein Blick verrieten ihr, dass er nicht der Entdecker ihres Schatzes gewesen war.
    »Nein, Papa«, hauchte sie. »Ellen, Ellen! Komm hinauf, ich fühle mich krank.«
    Ich folgte ihrer Aufforderung und begleitete sie hinaus.
    »Oh, Ellen, du hast sie!« begann sie sofort und warf sich auf die Knie nieder, als wir allein waren. »O gib sie mir wieder, und ich werde es nie, nie wieder tun! Sage Papa nichts! Du hast doch Papa nichts gesagt? Ellen, sage, dass du nichts gesagt hast. Ich bin sehr, sehr unartig gewesen, aber ich werde es nicht wieder tun.«
    Mit ernster Miene und Gebärde gebot ich ihr, aufzustehen. »So, Miss Catherine«, rief ich, »Sie haben es ja anscheinend recht weit gebracht; Sie sollten sich schämen. Sie haben da wirklich einen hübschen Schund in Ihren Mussestunden studiert, wert, gedruckt zu werden. Und was soll der Herr darüber denken, wenn ich ihm das zeige? Bis jetzt habe ich es noch nicht getan, aber Sie brauchen sich nicht einzubilden, dass ich Ihre lächerlichen Geheimnisse bewahren werde. Schämen Sie sich! Und Sie müssen die erste gewesen sein, die solchen Unsinn geschrieben hat; ich bin sicher, er hätte nicht daran gedacht, damit anzufangen.«
    »Das habe ich nicht, das habe ich nicht!« schluchzte Cathy, als wenn ihr das Herz brechen sollte. »Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, ihn zu lieben, bis…«
    »Lieben!« rief ich so höhnisch, wie ich das Wort nur aussprechen konnte. »Lieben! Hat jemand schon so etwas gehört! Ich könnte genausogut behaupten, dass ich den Müller liebe, der einmal im Jahr kommt, um unser Getreide zu kaufen. Eine schöne Liebe! Die beiden Male zusammen haben Sie Linton kaum vier Stunden in Ihrem Leben gesehen. Hier ist der kindliche Plunder. Ich werde damit in die Bibliothek gehen, und wir werden sehen, was Ihr Vater zu solcher Liebe sagt.«
    Sie sprang nach ihren kostbaren Briefen, aber ich hielt sie über meinen Kopf, und dann sprudelte sie in großer Aufregung flehentliche Bitten hervor, ich solle sie verbrennen, solle alles andere tun, nur nicht sie zeigen. Und da ich wirklich ebenso geneigt war, zu lachen wie zu schelten — denn ich hielt es alles für die Eitelkeit eines jungen Mädchens —, gab ich schließlich in einer Weise nach und fragte: »Wenn ich einwillige, sie zu verbrennen, werden Sie mir dann aufrichtig versprechen, weder Briefe abzuschicken noch zu empfangen, auch kein Buch wieder— denn ich habe gemerkt, dass Sie ihm Bücher geschickt haben — und keine Haarlocken oder Ringe oder Spielsachen?«
    »Wir schicken uns keine Spielsachen!« schrie Cathy; ihr Stolz war

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