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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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stärker als ihre Zerknirschung.
    »Dann eben überhaupt nichts, mein Fräulein«, sagte ich. »Wenn Sie es nicht wollen, gehe ich.«
    »Ich verspreche es dir, Ellen!« schrie sie und hielt mich am Kleid fest. »Oh, wirf sie ins Feuer, bitte, bitte!«
    Aber als ich begann, mit dem Feuerhaken in der Glut Platz zu machen, schien ihr das Opfer zu groß, das sie bringen sollte. Sie flehte mich ernstlich an, ihr einen oder zwei Briefe übrigzulassen.
    »Einen oder zwei, Ellen, die ich zur Erinnerung an Linton behalten kann.«
    Ich entknotete das Taschentuch und fing an, sie von oben in die Flammen fallen zu lassen, so dass der Rauch aufkräuselte.
    »Ich will einen haben, du grausame Person!« kreischte sie, steckte die Hand ins Feuer und zog ein paar halbverbrannte Fetzen hervor, ohne ihre Finger zu schonen.
    »Schön, und ich will ein paar behalten, um sie Papa vorzulegen«, antwortete ich, schob den Rest in das Bündel zurück und wandte mich von neuem zur Tür.
    Sie warf ihre angekohlten Stücke ins Feuer zurück und ließ mich das Opfer vollenden. Als es getan war, schürte ich in der Asche und begrub sie unter einer Schaufel voll Kohlen; sie jedoch zog sich stumm und tief beleidigt in ihr Schlafzimmer zurück. Ich ging hinunter, um meinem Herrn zu berichten, dass der Schwächeanfall meiner jungen Herrin fast vorüber sei, dass ich es aber für besser hielte, wenn sie sich etwas niederlegte. Mittag wollte sie nicht essen; aber zum Tee erschien sie wieder, mit blassen Wangen und roten Augen und merkwürdig sanft.
    Am nächsten Morgen beantwortete ich den Brief mit einem Zettel, auf dem geschrieben stand: ›Master Heathcliff wird ersucht, Miss Linton keine Briefe mehr zu schicken, da sie sie nicht mehr annehmen wird.‹ Und von da an kam der kleine Junge mit leeren Taschen.
     
     

Zweiundzwanzigstes Kapitel
    DER SOMMER ging zu Ende, und es wurde früh Herbst; Michaelis war vorüber, aber die Ernte wurde in jenem Jahr spät eingebracht, und einige unserer Felder waren noch nicht geschnitten. Mr. Linton und seine Tochter pflegten häufig zu den Schnittern hinauszugehen. Beim Einfahren des letzten Getreides blieben sie draussen, bis es dämmerte, und da der Abend kalt und feucht war, zog sich mein Herr eine böse Erkältung zu, die seinen Lungen stark zusetzte und ihn den Winter über, fast ohne Unterbrechung, ans Haus fesselte.
    Die arme Cathy, durch ihren kleinen Roman eingeschüchtert, war, seit er zu Ende war, merklich trauriger und stumpfer geworden, und ihr Vater bestand darauf, dass sie weniger lesen und sich mehr Bewegung machen sollte. Dabei musste sie auf seine Gesellschaft verzichten, und ich hielt es für meine Pflicht, ihn so gut wie möglich zu ersetzen: kein vollgültiger Ersatz, denn ich konnte mich von meinen zahlreichen täglichen Verrichtungen nur auf zwei bis drei Stunden frei machen, um ihren Schritten zu folgen, und meine Gesellschaft war augenscheinlich weniger erwünscht als die seine.
    An einem Nachmittag im Oktober oder Anfang November, einem kühlen, feuchten Nachmittag, an dem auf Rasen und Wegen die nassen welken Blätter raschelten und der kalte blaue Himmel hinter dunkelgrauen Wolkenfetzen verschwand, die mit großer Geschwindigkeit von Westen heraufzogen und tüchtigen Regen ankündigten, bat ich meine junge Herrin, ihren Spaziergang aufzugeben, da ich bestimmt glaubte, es werde einen Guss geben. Sie weigerte sich, ich legte widerstrebend einen Mantel um und nahm meinen Regenschirm, um sie auf ihrer Wanderung bis zum Ende des Parks zu begleiten. Es war ein gehöriger Spaziergang, den sie gern machte, wenn sie niedergeschlagen war, und das war sie immer, wenn es Mr. Edgar schlechter als gewöhnlich ging. Wir entnahmen das nie seinen Äusserungen, sondern merkten es beide an seiner noch grösseren Schweigsamkeit und der Schwermut seines Ausdruckes. Sie ging betrübt dahin; jetzt gab es kein Rennen und Springen mehr, wenngleich der kalte Wind sie zu einem Lauf hätte verleiten können. Und oft stellte ich durch einen Seitenblick fest, dass sie eine Hand erhob und etwas von ihrer Wange wegwischte. Ich blickte mich nach etwas um, was ihre Gedanken hätte ablenken können. An einer Seite des Weges erhob sich ein hoher, unebener Erdwall, der Haselnusssträuchern und verkümmerten Eichen, deren Wurzeln halb frei lagen, einen unsicheren Halt gewährte; denn der Boden war zu locker für die Eichen, und manche von ihnen hatte der heftige Sturm fast bis zur Erde gebeugt. Im Sommer machte es Miss

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