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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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dass er über höchst eigenwillige Gesichtsmuskeln verfügte, die nicht, wie die anderer Leute, die Sprache der Seele erkennen lassen.
    »O natürlich — ich verstehe: Sie sind der glückliche Gefährte der guten Fee«, bemerkte ich, mich an meinen Nachbar wendend.
    Das war schlimmer als alles Vorhergehende! Der junge Mann wurde puterrot und ballte die Fäuste mit allen Anzeichen eines beabsichtigten Angriffs. Aber schließlich schien er sich zu fassen und unterdrückte den Sturm mit einem auf mich gemünzten Fluch, den ich zu überhören suchte.
    »Sie haben Pech mit Ihren Vermutungen«, bemerkte mein Wirt; »keiner von uns hat den Vorzug, der Gefährte Ihrer guten Fee zu sein; ihr Mann ist tot. Ich sagte, dass sie meine Schwiegertochter sei, daher muss sie meinen Sohn geheiratet haben.«
    »Und dieser junge Mann ist…«
    »Ganz gewiss nicht mein Sohn!« Heathcliff lächelte wieder, als ob es ein allzu kühner Scherz sei, ihm die Vaterschaft an diesem Bären zuzuschreiben.
    »Mein Name ist Hareton Earnshaw«, knurrte der andere, »und ich rate Ihnen, Achtung davor zu haben!«
    »Ich habe es nicht daran fehlen lassen«, entgegnete ich, innerlich über die Würde lachend, mit der er sich vorstellte.
    Er starrte mich an, länger, als ich den Blick aushalten konnte, aus Furcht vor der Versuchung, ihm entweder eine Ohrfeige zu versetzen oder meine Heiterkeit zu verraten. Ich fühlte mich in diesem angenehmen Familienkreise durchaus fehl am Platze. Die düstere seelische Atmosphäre überwog die warme äussere Behaglichkeit um mich her, und ich beschloss, mich auf keinen Fall ein drittes Mal unter dieses Dach zu begeben. Die Mahlzeit war beendet, und da niemand zu geselliger Unterhaltung Neigung zeigte, ging ich ans Fenster, um nach dem Wetter zu sehen. Es war ein trostloser Anblick: die Nacht war vorzeitig hereingebrochen, der Himmel und die Berge schwammen in dem heftigen Wirbel des Windes und des alles begrabenden Schnees.
    »Jetzt glaube ich selbst, dass ich ohne Führer nicht nach Hause zurückfände«, entfuhr es mir unwillkürlich, »die Straßen werden bereits verschneit sein, und selbst wenn sie es nicht wären, könnte ich sie kaum einen Schritt weit erkennen.«
    »Hareton, treibe die zwölf Schafe in die Scheune! Sie werden einschneien, wenn sie die ganze Nacht in der Hürde bleiben. Lege auch eine Planke vor!« sagte Heathcliff.
    »Was soll ich nur tun?« fragte ich mit aufsteigendem Ärger. Es kam keine Antwort auf meine Frage. Als ich mich umblickte, sah ich nur Joseph, der einen Eimer mit Grütze für die Hunde hereinbrachte, und Mrs. Heathcliff, die sich über das Feuer beugte und sich die Zeit damit vertrieb, ein Bündel Schwefelhölzer zu verbrennen, das vom Kaminsims heruntergefallen war, als sie die Teedosen an ihren Platz zurückgestellt hatte.
    Als er seine Last abgesetzt hatte, unterzog Joseph das Zimmer einer kritischen Prüfung und stiess in krächzendem Tone hervor: »Möcht wissen, was das für ’ne Mode is, müssig dazustehn und zu gucken, wie alle auslöschen! Aber Sie sind zu nix nutze, und ’s hat kein Zweck, drüber zu reden. Sie wem Ihre schlechten Gewohnheiten nie lassen. Gehn Sie zum Teufel wie Ihre Mutter!«
    Ich glaubte einen Augenblick lang, dass diese Rede an mich gerichtet sei, und ging, zur Genüge erbost, auf den alten Kerl zu mit der Absicht, ihn zur Tür hinauszuwerfen. Mrs. Heathcliff jedoch hinderte mich daran durch ihre Antwort.
    »Du schändlicher alter Heuchler!« schrie sie. »Hast du nicht jedesmal Angst, dass dich der Teufel bei lebendigem Leibe holt, wenn du seinen Namen aussprichst? Ich warne dich davor, mich zu reizen, sonst werde ich als ganz besondere Gunst darum bitten, dass er dich holt. Halt! Sieh her, Joseph«, fuhr sie fort und nahm ein großes, dunkles Buch von einem Brett, »ich werde dir zeigen, wie weit ich in der Schwarzen Kunst fortgeschritten bin: ich bin bald so weit, dass ich das Haus säubern kann. Die rote Kuh ist nicht durch Zufall eingegangen, und dein Rheumatismus kann auch nicht gerade zu den glücklichen Heimsuchungen gerechnet werden!«
    »Du schlechtes, schlechtes…!« keuchte der Alte. »Der Herr erlöse uns von dem Übel!«
    »Nein, Verworfener! Du bist ein Auswurf! Scher dich weg, oder ich tu dir etwas Schlimmes an! Ich werde euch alle in Wachs und Ton modellieren lassen, und der erste, der die Grenze überschreitet, die ich setze, wird… ich werde nicht sagen, was mit ihm geschehen wird, aber du wirst schon sehen! Geh, ich habe ein

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