Emma - endlich vom Glück umarmt
Körperlich und seelisch zermürbt, sehnte sie sich nach Ruhe und Einsamkeit. Im hinteren Teil des Parks gab es ein Labyrinth mit einer Sonnenuhr als Mittelpunkt, dort wollte sie sich, von allen abgeschieden, eine Weile niederlassen.
Wenig später saß sie auf der Bank und genoss dankbar die letzten wärmenden Sonnenstrahlen des Tages.
In den letzten Monaten hatte sie manches ertragen müssen, und dabei hatte sie sich sehr verändert, hatte gelernt, für sich selbst einzustehen und nicht alles hinzunehmen. Dass sie die Kraft dazu gefunden hatte, verdankte sie zum größten Teil Charles Hawthorne. Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie in seiner Schuld stand.
Unglücklich verbarg sie ihr Gesicht in den Händen und begann zu weinen. So viel war geschehen, doch das Schlimmste für sie, war zu wissen, dass sie Charles Hawthorne liebte und ihn nie erringen würde.
Mehr als Zufriedenheit war ihr im Leben wohl nicht beschieden, damit würde sie sich begnügen müssen.
20. KAPITEL
Etwa einen Monat nach Lady Johnstones Party lenkte Charles seinen Phaeton über den ungepflegten Schotterweg vor das Herrenhaus der Stocktons. Das elisabethanische Bauwerk war in schlechtem Zustand, und auch die Gärten ringsum hatten bessere Tage gesehen. Bitter dachte er, wie wohlbekannt ihm ein solcher Anblick war, denn damals, als er selbst dem Spiel verfallen war, hatte Cloudchaser einen ähnlichen Anblick geboten.
Vor dem Portal zügelte er das Gespann und überließ es seinem Reitknecht, dann eilte er die Stufen hinauf und betätigte den Messingklopfer. Ein paar Minuten vergingen.
Der Butler – hieß er nicht Gordon? – öffnete und hob kaum merklich die buschigen grauen Brauen.
„Mr. Hawthorne?“
„Guten Tag, Gordon.“ Charles sprach bewusst heiter. „Ich möchte Ms. Stockton meine Aufwartung machen.“
„Ich glaube, sie empfängt nicht.“
„Nun, melden Sie mich trotzdem. Ich muss sie dringend sprechen.“
Der Butler zögerte, dann sagte er: „Sir, sie wünscht Sie nicht zu sehen. Sie haben schon genug Kummer verursacht.“
Da Dienstboten normalerweise keinen Besucher abwiesen, außer sie hatten entsprechende Instruktionen, wurde Charles klar, wie schwer es werden würde, Emma dazu zu bringen, ihn auch nur anzuhören. Doch er musste sie sehen. Seine Briefe waren ungeöffnet zurückgekommen. Außerdem hatte das alte Faktotum von Kummer gesprochen. Charles wusste jedoch, dass Amy ihm nicht nachweinte, denn am Tag vor seiner Abreise war die Nachricht von ihrer Heirat in der Times erschienen. Vielleicht konnte er noch hoffen.
„Dann teilen Sie Mr. Stockton mit, dass ich etwas äußerst Wichtiges mit ihm zu besprechen habe.“
Zwar war Gordon kleiner als Charles, trotzdem gelang es ihm irgendwie, auf ihn herabzusehen. „Sir, ich weiß nicht …“
„Wer ist denn da?“, fuhr Amys helle Stimme dazwischen, und schon trat sie in die Halle und stand Charles gegenüber. „Nanu? Wenn das nicht Mr. Hawthorne ist?“
Strahlend lächelte er sie an. „Meine Glückwünsche zu Ihrer Vermählung, Mrs. Chevalier.“
„Wollen Sie mich verspotten?“, fragte sie argwöhnisch.
Verblüfft entgegnete er: „Warum sollte ich?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, aber es sähe Ihnen ähnlich, über ein frischverheiratetes Paar zu spotten, da Sie selbst ja dafür bekannt sind, sich vehement gegen die Ehefesseln zu wehren.“
Ihm war nicht nach einer Plänkelei zumute; er beschränkte sich darauf, zu fragen: „Ist Ihre Schwester daheim?“
„Emma?“ Sie betrachtete ihn, als wäre er ein merkwürdiges Insekt.
Ein wenig boshaft fragte er: „Gibt es etwa eine weitere Schwester, die mir noch nicht bekannt ist?“
Verstohlen lächelnd antwortete sie: „Nein. Aber Emma will Sie, glaube ich, nicht sehen.“
Das traf ihn heftig, obwohl er damit gerechnet hatte, dass sie es ihm schwer machen würde. „Wollen Sie mir nicht wenigstens sagen, wo sie ist?“
Herausfordernd fragte sie: „Warum sollte ich?“
„Weil Sie sie lieben und möchten, dass sie glücklich wird.“
„Ha! Und Ihr Anblick wird sie glücklich machen? Mr. Hawthorne, Sie haben eine übertrieben hohe Meinung von sich selbst.“
„Man tut sein Bestes“, murmelte er, verwegen lächelnd. Als sie kicherte, wusste er, dass er beinahe gewonnen hatte. „Bitte, Mrs. Chevalier.“
„Wie, Sie bitten?“, fragte sie ungläubig.
„Wenn es der Sache dienlich ist.“
„Hm.“ Amy legte nachdenklich den Finger ans Kinn. „Ich weiß
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