Emma und der Rebell
dringend Wasser
brauchte. Emma betrachtete sie mitleidig, während sie an die schief in den
Angeln hängende Haustür klopfte.
Maisie Lee
öffnete sie einen winzigen Spalt, und als sie Emma sah, riß sie erschrocken die
Augen auf.
»Sind Sie
allein?« fragte Emma.
Maisie Lee
nickte, machte jedoch keine Anstalten, ihre Besucherin einzulassen.
»Darf ich
bitte hereinkommen?« drängte Emma. Widerstrebend trat Maisie Lee zurück, und
Emma betrat einen engen, aber
blitzsauberen Raum. Mehrere Kinder spielten auf dem Fußboden, und zwischen zwei
Wänden war eine Leine gespannt, auf der Wäsche trocknete.
Maisie Lees
große dunkle Augen richteten sich immer wieder ängstlich auf die Tür. »Was
wollen Sie, Missis?« erkundigte sie sich schüchtern.
»Sie wissen
etwas über die Nacht, in der Mary McCall ermordet wurde – etwas, das Sie bisher
niemandem verraten haben. Ich möchte wissen, was es ist.«
Die
schwarze Frau wich einen Schritt vor Emma zurück. Als eines der Kinder zu
weinen begann, zog sie es auf ihren Schoß. »Ich weiß gar nichts«, erwiderte sie
abweisend.
»Doch, Sie
wissen etwas, und mein Mann wird hängen, wenn Sie es mir nicht erzählen. Wer
war in jener Nacht im Haus, Maisie Lee? War es Macon Fairfax?«
Maisie Lees
Augen wurden fast noch größer, als sie ohnehin schon waren. »Nein, Madam, ich
habe Mr. Macon nicht gesehen. Ich
schwöre zu Gott, daß ich ihn nicht gesehen habe!« »Aber jemanden haben
Sie gesehen, und es war nicht Steven. Wer war es also?«
Wieder warf
Maisie Lee einen furchtsamen Blick zur Tür. »Mein Mann kommt bald nach Hause«,
sagte sie besorgt. »Er hat es nicht gern, wenn ich Besuch bekomme.«
Emma
seufzte. »Sie müssen mir helfen!« meinte sie beschwörend.
Dicke
Tränen quollen aus Maisie Lees dunklen Augen. »Ich kann es nicht, Madam«,
antwortete sie bekümmert und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nichts. Ich
schwöre Ihnen, daß ich nichts weiß.«
Emma war
zutiefst enttäuscht. »Also gut«, seufzte sie. »Falls Sie sich doch noch
entscheiden sollten, die Wahrheit zu sagen, finden Sie mich in Fairhaven.«
Maisie
schluckte auffallend, aber sie machte nicht mehr den Mund auf und drückte nur
schützend das weinende Kind an ihre Brust, als Emma die Tür öffnete, um zu
gehen.
Auf der
Schwelle begegnete sie einem der größten Männer, die sie je gesehen hatte. Er mußte
Maisie Lees Mann sein und schien alles andere als erfreut über den Besuch. Emma
sah ihm an, daß er vor Wut kochte, als sie rasch an ihm vorbeiging auf die
Straße, wo der besorgte Fahrer ihr schon die Kutschentür aufhielt.
Im gleichen
Augenblick, als Emma sich auf dem lederbezogenen Sitz niederließ, hörte sie
aus dem Haus einen gellenden Schrei und schloß gequält die Augen vor den
Bildern, die sich ihr aufdrängten. Maisie Lees Mann trat einen Moment aus dem
Haus, versetzte dem Geranientopf einen Tritt, der ihn zerbrechen ließ, stürmte
wieder hinein und knallte die Tür hinter sich zu.
»Hüh!«
feuerte der Kutscher die Pferde an, als Emma schon wieder aussteigen wollte, um
zu Maisie Lee zurückzueilen und sie zu verteidigen.
Dann
schaute sie betrübt auf ihre kleinen Hände; eine große Hilfe wäre sie der armen
Frau sicher nicht gewesen. Aber sie sah ein, daß es nur ihre Schuld war, wenn
Jethro jetzt wütend auf Maisie Lee war. Wenn er sie schlug und mißhandelte,
hatte die arme Frau es ausschließlich Emma zu verdanken.
Von diesem
Gedanken gequält, war sie zutiefst betrübt, als sie Fairhaven erreichten.
Der
Kutscher wollte Emma beim Aussteigen behilflich sein, aber da erschien Steven
und schob ihn gereizt beiseite.
»Wo zum
Teufel hast du gesteckt?« fuhr er Emma an, während er grob ihre Schultern
umklammerte.
Sie hielt
seinem ärgerlichen Blick trotzig stand. »Warum sollte dich das interessieren?«
entgegnete sie.
Nun schloß
er beide Hände um ihr Gesicht. »Es interessiert mich – sogar sehr«, erwiderte
er, schon sehr viel sanfter.
Emma entzog
sich ihm unwillig und wollte auf das Haus zugehen, aber Steven hielt sie
zurück.
»Ich muß
erst mit dir reden«, erklärte er und zog sie in den weitläufigen Garten, wo er
nicht eher stehenblieb, bis sie ein Sommerhäuschen erreichten, das fast ganz
mit Glyzinien überwuchert war.
Steven
öffnete die Tür und zog Emma hinein, und sie stellte verwundert fest, daß es
drinnen relativ aufgeräumt und sauber war. Zwei schmale Betten standen in dem
Raum und mehrere Sessel aus Bambusrohr, auf denen verschlissene Kissen
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