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Emma und der Rebell

Emma und der Rebell

Titel: Emma und der Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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sie endlich sprach, klang seltsam schrill
und kindlich. »Sie ist in der Kutsche in die Stadt gefahren«, antwortete sie.
    Da Steven
wußte, daß er von Lucy nicht mehr erfahren würde, und er eine überwältigende
Übelkeit im Grunde seiner Seele aufsteigen spürte, ging er hinaus und schloß
leise die Tür.
    Nachdenklich
stieg er die Treppe hinunter und verließ das Haus durch einen Hinterausgang. Im
Stall suchte er sich ein Pferd aus und begann es zu satteln.
    Die
Kutsche holperte in flottem
Tempo über die Straße, und Emma fächelte sich immer wieder Luft zu. Ihr war ein
bißchen übel, aber das schob sie auf die verzweifelte Situation mit Steven und
auf die Hitze. Sie war gefühlsmäßig zu ausgelaugt, um noch zu weinen, obwohl
ihre Augen von ungeweinten Tränen brannten und ihre Kehle so eng war, daß sie
schmerzte.
    Der
Kutscher hielt das erste Mal, wie Emma es befohlen hatte, vor Astoria McCalls
heruntergekommener Villa. Diesmal öffnete Miss Astoria höchstpersönlich.
    Als Emmas
Blick auf ihre juwelengeschmückten Hände fiel, ging ihr plötzlich auf, daß sie
möglicherweise gar nicht so arm war, wie es den Anschein hatte. Vielleicht war
sie nur zu verbittert und zu nachlässig, um sich um ihr Haus zu kümmern und
den Kontakt zu Nachbarn und Freunden aufrechtzuerhalten.
    »Sie!«
sagte Miss Astoria kalt.
    Emma
straffte die Schultern. »Ich möchte Maisie Lee sehen.«
    »Sie ist
nicht hier«, brummte die alternde Jungfer. »Sie ist zu Hause bei dem Säufer,
mit dem sie verheiratet ist.« Miss McCall versuchte, die Tür zu schließen, aber
Emma verhinderte es, indem sie ihre Schulter gegen das Holz lehnte.
    »Wo wohnt
Maisie Lee?« fragte sie höflich.
    »Du lieber
Himmel! Das weiß ich nicht«, erwiderte Miss Astoria verärgert. »Irgendwo unten
am Hafen, in einer dieser stinkenden Gassen.«
    »Ich bin
überzeugt, daß Sie ihre Adresse kennen«, beharrte Emma, entschlossen, sich
nicht entmutigen zu lassen.
    Astoria maß
sie mit einem erbosten Blick, aber Emma war nicht einzuschüchtern. Niemand
konnte sie so verletzen, wie Steven es getan hatte, als er ihr sagte, daß er
sie nicht mehr liebte; sie kannte keine Furcht mehr und war bereit, es mit der
ganzen Welt aufzunehmen.
    »Na schön«, meinte Astoria McCall unfreundlich, dann drehte sie sich auf dem Absatz um
und verschwand in der düsteren Eingangshalle.
    Emma trat
ein, um dort zu warten, und entdeckte Spinnweben an den Decken, als sie sich
umschaute. Das ganze Haus könnte eine gründliche Reinigung vertragen, dachte
sie.
    Schließlich
kehrte Miss Astoria mit einem Zettel in der Hand zurück. »Hier«, sagte sie
schroff. »Aber Sie haben die arme Maisie auf dem Gewissen, wenn dieser brutale
Kerl sie prügelt, weil sie sich in Dinge einmischt, die sie nichts angehen.«
    Emma hatte
nicht die Absicht, Maisie Lee in Schwierigkeiten zu bringen. Sie wollte nur
herausfinden, was die verängstigte Frau wußte und warum sie es für sich behielt.
»Danke«, sagte sie freundlich, als wäre sie nur zu einem unverbindlichen Besuch
bei Astoria gewesen. »Und einen schönen Tag noch.«
    Der
Kutscher runzelte die Stirn, als Emma ihm die Adresse gab, aber er mußte ihre
Entschlossenheit gesehen haben, denn er erhob keinen Einspruch.
    In dem
Stadtteil, in dem Maisie Lee wohnte, standen die Häuser dicht beisammen und
schienen bis unters Dach mit Menschen vollgepfropft. Braune und schwarzhäutige
Kinder rannten barfuß über die gesprungenen Pflastersteine, und die schwüle
Luft mit ihren Gerüchen nach Fisch, Pferdedung, Abfall und Urin raubte Emma
fast den Atem.
    AIs die
Kutsche anhielt, stieg sie aus, bevor der Kutscher ihr zu Hilfe eilen konnte.
    »Miss
Emma«, sagte er beunruhigt, »es wäre Mr. Steven sicher nicht recht, daß ich Sie
hierherbringe – vor allem nach der Epidemie, die hier ausgebrochen ist.«
    »Es wird
nicht lange dauern«, antwortete Emma, die sich bereits nach den Hausnummern
umschaute. Aber es waren keine zu sehen, und so näherte Emma sich drei kleinen
Jungen, die Murmeln spielten, und zog drei Münzen aus ihrer Tasche. Als sie die
ungeteilte Aufmerksamkeit der Kinder besaß, fragte sie: »Wo wohnt Maisie Lee
Simpson?«
    Einer der
Jungen zeigte auf das Ende der Straße. »Dort unten, wo der Blumentopf steht.«
    Emma dankte
dem Jungen und ging auf das von ihm bezeichnete Haus zu. Der Fahrer folgte ihr
in der Kutsche, und sie konnte seinen verwirrten Blick in ihrem Rücken spüren.
    Der
Blumentopf enthielt eine halb vertrocknete Geranie, die

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