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Emma will’s wissen

Emma will’s wissen

Titel: Emma will’s wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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Angst. Genau wie ich. Mein Herz wurde so schwer, dass es mich fast in die Knie zwang. Am liebsten hätte ich mich einfach auf den Bürgersteig gesetzt und wäre nie mehr aufgestanden.
    Da hörte ich Schritte hinter mir. Dann eine Stimme.
    »Hallo, Emma! Was machst du denn hier?«
    Ich drehte mich um. Es war Mona! Sie hatte sich ihre rote Pudelmütze tief ins Gesicht gezogen und schwenkte ihre Flötentasche. Ihr Atem bildete weiße Wölkchen in der Luft.
    Ich war so froh, sie zu sehen, dass ich fast losgeheult hätte. Aber ich schluckte die Tränen hinunter. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt zum Heulen. Erst mussten wir Herrn Marten finden.
    »Ich war gerade bei der Flötenprobe in der Kirche«, erzählte Mona munter. »Das war echt toll. Pfarrer Pauli hat gesagt, wir dürfen Weihnachten oben auf der Empore stehen. Hoffentlich verspiele ich mich nicht. Die meisten Lieder kann ich schon ganz gut, aber ›Kommet, ihr Hirten‹ ist echt schwer …« Mona verstummte und sah mich an. »Ist was?«
    Ich nickte. »Du musst mir helfen. Jemand ist verschwunden und ich muss ihn finden.« Ich erzählte schnell, was passiert war. »Herr Marten ist manchmal etwas durcheinander. Vielleicht hat er sich verlaufen und findet nicht mehr zurück nach Hause.«
    Mona überlegte kurz. »Ist er groß und dünn? Mit weißen Haaren?«
    »Genau!«, rief ich.
    »Dann hab ich ihn vielleicht gesehen«, sagte Mona. »Als ich aus der Kirche kam, ist ein alter Mann an mir vorbeigegangen. Ich hab mich noch gewundert, weil er keine Jacke anhatte. Und das bei dem Wetter!«
    »Das muss er gewesen sein!«, rief ich aufgeregt. »Wo ist er hingegangen?«
    Mona runzelte die Stirn. »Ich glaube, in Richtung Friedhof.«
    Ich schlug mir mit der Hand gegen die Stirn. »Der Friedhof! Natürlich! Er wollte bestimmt zu Hildas Grab.«
    Ich rannte los. Mona folgte mir. Wir liefen zur Kirche. Neben der Kirche lag der Friedhof. Das rostige Eisentor fiel scheppernd hinter uns zu. Auf dem Friedhof war es ganz still. Totenstill. Die Gräber lagen unter einer glitzernden Schneedecke. Es sah aus, als hätte sie jemand zugedeckt, damit sie nicht frieren. Die Grabsteine hatten weiße Hauben auf. Aber die Wege waren geräumt. Ich ging langsam zwischen den Gräbern hindurch. Auf einigen flackerten Grablichter und tauchten den Schnee in rötliches Licht. Mona lief so dicht hinter mir, dass ich ihren Atem in meinem Nacken spüren konnte. »Herr Marten?«, rief ich. Meine Stimme klang dünn und piepsig. Sie verhallte in der Dunkelheit. Niemand antwortete.
    »Vielleicht ist er doch nicht hier«, flüsterte Mona. Sie griff nach meiner Hand. Gemeinsam gingen wir weiter.
    »Er muss hier sein«, sagte ich bestimmt. Ich versuchte, die Inschriften auf den Grabsteinen zu entziffern. Wenn Herr Marten nicht hier war, wusste ich nicht, wo ich sonst noch suchen sollte. Vielleicht hätte ich schon längst die Polizei rufen sollen. Was, wenn Herrn Marten etwas passiert war? Er konnte vor ein Auto gelaufen sein. Oder im Wald gestürzt. Vielleicht hatte er sich den Arm gebrochen. Und wer war schuld? Ich! Wenn ich heute Mittag pünktlich gewesen wäre, wäre das alles nicht passiert. Herr Marten wäre nicht aus dem Haus gegangen und der Kakao wäre nicht angebrannt. Die Küche würde nicht stinken und niemand wäre vor ein Auto gelaufen oder hätte sich den Arm gebrochen …
    »Sieh mal, dahinten!« Mona zeigte in die Dunkelheit. Vor einem unförmigen Grabstein stand eine gebeugte Gestalt. Ein Mann mit weißen Haaren. Mir plumpsten zehn Grabsteine vom Herzen. Ein Wunder, dass die Toten von dem Lärm nicht aufwachten.
    »Herr Marten!« Ich rannte los. Vor dem Grab blieb ich keuchend stehen. Auf dem Grabstein stand:
Hier ruht meine geliebte Frau und unsere liebe Mutter Hilda Marten.
    »Die Kerze ist ausgegangen.« Herr Marten zeigte auf ein erloschenes Grablicht. Sein Hemd war durchnässt und auf seiner Glatze schmolz der Schnee. Wenigstens hatte er Schuhe an. Pantoffeln, aber immerhin.
    »Warum haben Sie nicht auf mich gewartet?«, schrie ich. »Sie dürfen doch nicht einfach so weggehen!«
    Herr Marten sah mich überrascht an. »Warum denn nicht?«
    »Weil … weil …«, stammelte ich. »Weil Sie sich ja nicht mal richtige Schuhe anziehen können!« Ich zeigte auf seine Pantoffeln. Ich wusste selbst nicht, warum ich auf einmal so gemein zu Herrn Marten war. Vielleicht weil ich mir solche Sorgen um ihn gemacht hatte.
    »Tatsächlich!« Herr Marten betrachtete überrascht seine Pantoffeln.

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