Emma will’s wissen
Mama.
Mona drückte Mama einen Kuss auf die Wange. Tim und Klaus blieben am Fußende des Bettes stehen. Es war ziemlich eng im Zimmer mit so vielen Leuten.
Klaus grinste verlegen. »Schönes Zimmer.«
»Ja«, sagte Tim. »Auch wenn es nicht besonders groß ist.«
Typisch Jungs! Sie können einfach keine Gefühle zeigen. Stattdessen reden sie über Fußball oder Krankenhauszimmer.
Mama nickte. »Ich hab Glück gehabt. Das zweite Bett ist nicht belegt.«
»Jetzt erzähl doch mal.« Gesa setzte sich auf die Bettkante. »Wie ist es gelaufen?«
»Ganz gut eigentlich.« Mama lächelte. »Babsi war toll. Sie ist bis zum Schluss dageblieben. Als wir im Krankenhaus ankamen, wurden die Wehen erst wieder schwächer. Ich hab noch ein bisschen gedöst und bin dann in die Badewanne gestiegen.«
»Hier kann man baden?«, fragte ich überrascht.
Mama nickte. »Sie haben eine tolle Wanne im Geburtszimmer, riesengroß. Die würde dir auch gefallen, Emma.«
»Und wie ging’s weiter?«, wollte Oma wissen.
»Dann ging alles ganz schnell«, sagte Mama. »Die Kleine hatte es plötzlich richtig eilig.«
Ich riss die Augen auf. »Ist sie etwa in der Badewanne auf die Welt gekommen?«
»Ganz genau.« Mama lächelte wieder. »Ich glaube, eure Schwester wird eine richtige Wasserratte. Kaum war sie auf der Welt, ist sie auch schon losgeschwommen wie ein kleiner Fisch.«
Tim machte ein verdutztes Gesicht. »Das Baby kann schwimmen?«
»Na klar«, sagte Mona. »Alle Babys können schwimmen. Wasser ist ihr natürliches Element. Später verlernen sie es allerdings wieder.«
Ich war wahnsinnig froh, dass alles glattgegangen war. Und dass sie Mamas Bauch nicht aufschneiden mussten.
In diesem Moment ertönte ein komisches Geräusch aus der Ecke hinter Mamas Bett. Es klang so ähnlich wie das Grunzen eines Ferkels.
Ich runzelte die Stirn. »Was war das denn?«
»Du meine Güte!« Oma war um das Bett herumgegangen und schlug die Hände vors Gesicht. »Da ist sie ja!« Vor lauter Aufregung hatten wir das Baby ganz vergessen. Oma nahm es aus seinem Bettchen und betrachtete es lächelnd. »Du bist aber eine Hübsche!«
»Wie süß!«, quiekte Mona. »Ich hab extra meine Flöte mitgebracht. Soll ich dem Baby jetzt was vorspielen? Babys lieben Musik!« Das hatte sie bestimmt auch aus einem ihrer Bücher. Oder von Babsi.
»Später, mein Schatz«, sagte Gesa. »Jetzt braucht das Baby erst mal ein bisschen Ruhe.«
Oma schniefte. Ihre Augen schimmerten feucht. »Willst du sie mal nehmen?« Ehe ich antworten konnte, hatte sie mir das Baby auch schon in den Arm gedrückt. Es war ganz leicht. Ich war so überrascht, dass ich wie erstarrt dastand. Oma zog ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche und putzte sich mit lautem Schnauben die Nase. Es klang wie ein Elefant auf dem Kriegspfad.
Das Baby fing an zu wimmern. Ich sah erschrocken zu Mama.
»Schaukel sie ein bisschen hin und her, das mag sie gerne«, sagte Mama.
Ich schaukelte das Baby ein bisschen hin und her und es hörte tatsächlich auf zu weinen. Es sah mich aufmerksam an. Seine Augen waren groß und blau und es hatte eine winzige Stupsnase. Auf seinem Kopf wuchsen helle Flaumhaare. Es war wirklich ganz hübsch – auch wenn sein Gesicht ziemlich zerknautscht war. Aber das würde sich ja hoffentlich noch ändern. Es hatte ganz kleine Hände. Plötzlich griff es nach meinem Zeigefinger und hielt ihn fest. Mir wurde ein bisschen schwindelig. Ich wagte kaum zu blinzeln.
»Wie heißt das Baby jetzt eigentlich?«, fragte ich.
»Lili«, sagte Mama. »Sie heißt Lili.«
Ich sah meine kleine Schwester an. Sie umklammerte immer noch meinen Finger.
»Hallo, Lili«, sagte ich leise. »Herzlich willkommen im Leben.«
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Maja von Vogel wurde 1973 geboren und wuchs im Emsland auf. Sie studierte Deutsch und Französisch, lebte ein Jahr in Paris und arbeitete als Lektorin in einem Kinderbuchverlag. Heute lebt Maja von Vogel als Autorin und Übersetzerin in Norddeutschland.
Mehr über Maja von Vogel findet ihr hier .
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Impressum
Klopp im Dressler Verlag · Hamburg
© Dressler Verlag GmbH, Hamburg 2009
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