Emma will’s wissen
Nichts passierte. Seufzend ging ich die Treppenstufen hinunter und lief einmal ums Haus herum. Vielleicht suchte Herr Marten ja wieder nach Feuerholz. Aber der Schuppen war verschlossen und der Garten leer.
Ich spazierte zur Hintertür und drückte die Klinke hinunter. Einfach so, weil mir nichts Besseres einfiel. Und die Tür ging tatsächlich auf! Herr Marten hatte vergessen abzuschließen. Ich seufzte. Es sah immer mehr nach einem schlechten Tag aus.
Ich roch es gleich, als ich ins Haus kam. Es roch angebrannt. Sehr angebrannt sogar. Ich rannte in die Küche. Alles war voller Qualm. Er kam aus einem Topf, der auf dem Herd stand. Ich nahm den Topf, warf ihn in die Spüle und stellte den Herd aus. Der Qualm pikte in meinen Augen und in meiner Kehle und ich musste husten. Ich riss das Fenster auf und lehnte mich hinaus. Frische Luft wehte in die Küche. Der Qualm zog allmählich ab, aber der Gestank verschwand nicht so schnell. Der Topf war ganz schwarz. Vermutlich war er nicht mehr zu retten. Neben dem Herd stand die Milchpackung, die ich gestern gekauft hatte. Und ein Becher mit Kakaopulver. Es war nicht schwer, sich auszurechnen, was passiert war. Herr Marten hatte Milch aufgesetzt, um Kakao für mich zu kochen. Und dann hatte er es vergessen. Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich war gerade noch rechtzeitig gekommen.
Jetzt musste ich nur noch Herrn Marten finden. Ich kippte das Küchenfenster und machte mich auf die Suche.
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13 . Kapitel
Wo ist Herr Marten?
I m Wohnzimmer war Herr Marten nicht. Auf seinem Ohrensessel lag nur die Zeitung von gestern. Ich sah im Bad nach, auf dem Klo und sogar im Schlafzimmer, obwohl ich da noch nie vorher gewesen war. Aber das Haus war leer. Herr Marten war nicht da.
Ich rannte auf die Straße und sah nach rechts und links. Ich wünschte mir so sehr, ihn am Ende der Straße auftauchen zu sehen. Doch ich sah nur eine Frau mit einem Kinderwagen. Sie kam langsam näher. Das Baby schrie. Es waren Frau Kästner und Amelie.
»Hallo, Emma«, sagte Frau Kästner, als sie bei mir angekommen war. »Wie geht’s denn so?«
»Gut«, antwortete ich automatisch. Ich starrte immer noch zum Ende der Straße. So sehr, dass meine Augen brannten.
»Alles in Ordnung?«, fragte Frau Kästner.
Amelie hatte aufgehört zu schreien. Sie saß im Kinderwagen und sah mich mit großen Augen an.
»Ja«, sagte ich. »Ich suche nur jemanden. Haben Sie vielleicht einen alten Mann gesehen? Er ist sehr groß und hat weiße Haare.«
Frau Kästner schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich hab niemanden gesehen. Bei dem Wetter sind nicht viele Leute unterwegs.«
Amelie jauchzte.
»Sie freut sich, dich zu sehen«, erklärte Frau Kästner.
Ich betrachtete Amelie zum ersten Mal richtig. Tatsächlich! Sie streckte mir die Arme entgegen und lachte. Ich lächelte vorsichtig zurück. Eigentlich sah sie ja ganz süß aus. Auch wenn sie immer noch keine Haare hatte.
»Wir müssen los«, sagte Frau Kästner. »Amelie bekommt sicher bald Hunger. Schau doch mal wieder vorbei.«
Ich nickte. »Ja, vielleicht.«
Frau Kästner schob den Kinderwagen weiter. Sofort fing Amelie wieder an zu brüllen. Ich lief in die andere Richtung. Ich hörte Amelie noch, als Frau Kästner mit dem Kinderwagen schon längst um die Ecke gebogen war.
Ich rannte durch die Straßen. Es hatte wieder angefangen zu schneien. Aber es warenF keine schönen, weichen Flocken, sondern fieser Fisselschnee, der auf der Haut juckte und durch die Klamotten drang, ohne dass man es merkte. Frau Kästner hatte recht gehabt, es war wirklich kaum jemand unterwegs. Die Straßen waren wie leer gefegt. Und Herr Marten war wie vom Erdboden verschluckt.
An einer Kreuzung blieb ich stehen. Es wurde allmählich dunkel. Sollte ich rechts oder links weitersuchen? Ich versuchte nachzudenken, aber in meinem Kopf herrschte ein großes Durcheinander. Alle möglichen Gedanken schossen hin und her.
Wo ist Herr Marten hingegangen?
Ein Baby ist keine Kaulquappe.
Vielleicht wollte er einkaufen …
Manchmal klingt ein Herz wie ein galoppierendes Rennpferd.
… oder er sucht irgendwo Brennholz.
Ob Bastian noch manchmal an mich denkt?
Vielleicht sollte ich im Wald suchen.
Amelie mag mich, obwohl sie mich gar nicht kennt.
Ich allein im Wald? Im Dunkeln???
Hoffentlich hat Herr Marten diesmal Schuhe angezogen.
Ich stellte mir vor, wie Herr Marten durch den dunklen Wald irrte. Ohne Jacke und ohne Schuhe. Frierend und verwirrt. Vielleicht hatte er ja auch
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