Emma
lehnten sie keineswegs ab,
sondern mehr als eine bekundete Interesse daran, sie unter Vertrag zu nehmen.
Nino hatte nur ein paar wenige Anrufe getätigt, doch schon am Montag zeigte
sich, dass Emma ein paar Angebote zur Auswahl haben würde.
„Ehe
du dich entscheidest“, er wedelte mit einem dezent bebilderten Flyer vor ihrer
Nase herum, „solltest du dir auf jeden Fall vorher noch das hier ansehen!“
„Was
ist das?“ Sie nahm ihm das Blatt aus der Hand und betrachtete es stirnrunzelnd.
Die Fotos darauf waren sehr elegant, aber etwas ließ sie stutzig werden. „LBV?
Wie …“
„Sprich
es so aus: ElleBiVi! Kommt von LaBellaVera – die wahre Schöne.“
„Und
was soll das mit dieser ‚wahren Schönen’?“ Emma kam nicht sofort hinter den
Sinn des vielsagenden Firmennamens.
„Das
ist eine ziemlich ungewöhnliche Agentur, auf die ich eher zufällig gestoßen
bin. Im Schatten der Ereignisse des letzten Jahres versuchen einige
Meinungsmacher jetzt ganz bewusst, vom üblichen Bild der Models abzuweichen und
nur Mädchen und sogar auch reifere Frauen zu vermitteln, die, na sagen wir mal,
so gut wie normalgewichtig sind.“
Emma
sah ungläubig auf. Sie kannte die Geschichte, auf die Nino anspielte, es hatte
auch sie ziemlich betroffen gemacht, als im vergangenen Herbst gleich drei
junge Frauen an den Folgen ihrer Unterernährung und Magersucht gestorben waren.
Sie hatten ihre Diäten nicht mehr in den Griff bekommen und niemand war rechtzeitig
darauf aufmerksam geworden. Im Zuge dessen hatte sich eine Protestwelle
formiert, etliche Models und auch Mitarbeiter verschiedener Agenturen waren auf
die Straße gegangen, um auf die teilweise weit verbreiteten Missstände in der
Branche hinzuweisen. Viel war daraufhin zwar nicht passiert, aber es hatten
sich landesweit dennoch eine Handvoll Agenturen neu gegründet oder umorientiert.
Diese versuchten nun, das Augenmerk mehr auf normal aussehende Körper zu
richten und das Bewusstsein bei Kunden und Konsumenten dahingehend zu sensibilisieren,
dass eine Frau mit Busen, Bauch und Po durchaus auch schön anzusehen war. Bei
diesen Bemühungen waren natürlich die Auftraggeber das größte Hindernis. Kaum eine
Firma traute sich an das heikle Thema heran, für die neuen Kollektionen damit anzufangen
und Frauen über die Laufstege zu schicken, die mehr als fünfzig Kilo wogen. Und
doch hatten ein paar den Mut gehabt, genau das zu tun.
„Könntest
du dich für den Gedanken erwärmen, ein paar weitere Kilos zuzunehmen?“, war
daher Pavones Gretchenfrage an Emma. „So schwer dürfte dir das doch nicht
fallen, oder!“
Die
zögerte und verkniff sich einen Kommentar auf seine spitze Bemerkung.
„Na,
ich weiß nicht recht! Und was, wenn das Experiment schief geht?“
„Das
geht nicht schief, der Trend entwickelt sich zwar langsam, aber stetig und er
ist vor allen Dingen meiner Meinung nach kaum noch umkehrbar. Es hat zu viele
Skandale gegeben in den letzten Jahren und die Sensibilität in der Branche
wächst unaufhaltsam. Du bist zwar nicht gerade eine große Nummer da draußen,
aber ein paar wichtige Leute kennen dich trotzdem und vor allen Dingen hat sich
deine Professionalität herumgesprochen.“
„Ach
– tatsächlich?“ Sie riss ungläubig die Augen auf.
„Ja,
tatsächlich. Da wir ja leider den Kontakt verloren hatten, konnte ich dich auch
nicht darüber informieren, dass ich in den letzten Jahren mehr als nur eine
Anfrage zu deiner Person hatte.“
Emma
schluckte. Diese Eröffnung traf sie wie ein Hammerschlag. „Aber – wenn du was
gesagt hättest …!“
„Fang
gar nicht erst an, mir damit zu kommen!“ Pavones Ton wurde scharf, „du weißt
genauso gut wie ich, wie absolut du in der Sache warst und nur weil du dir
jetzt vorstellst, ich hätte dich da rausholen und deinen Kontakt zu Gandolfo
verhindern können, brauchst du noch lange nicht die Tatsachen zu verdrehen! So
funktioniert das nicht bei mir, verstanden?“
Sie
nickte kleinlaut. Er hatte recht, sie hatte damals nicht mit sich reden lassen,
sondern auf ihrem Dickschädel beharrt. Wenn sie nun darüber nachdachte, dass er
ihr vielleicht tatsächlich die unliebsame Affäre mit dem neuen Chef hätte
ersparen können, drehte sich ihr schier der Magen um.
Wieder
spürte sie, wie ihr Nacken beim Gedanken an Gandolfo zu kribbeln begann.
Was
hatte dieser Mensch nur mit ihrer Psyche angestellt, dass sie einfach nicht an
ihn denken konnte, ohne sofort einen schmerzhaften Stich in die Seite
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