Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
mehr so gut war, wie ich es immer noch hatte glauben wollen. Aber dann zu erfahren, dass es eine andere Frau gab, sogar ein Kind … Ich weiß gar nicht mehr, ob ich ihn überhaupt noch gekannt habe. Wahrscheinlich habe ich eine ganze Menge mit Emma zu besprechen. Ob es mir passt oder nicht. Aber ich darf jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken.«
Wir umarmten uns. Matt flüsterte etwas, ich konnte ihn kaum hören. Aber ich ahnte, was er mich fragen wollte. Deshalb sagte ich:
»Ja. Ich komme nach. Ich versprech es dir.«
Eine halbe Stunde später saß ich neben Kaelynns Bett. Emma war gerade erst gegangen. Ich hatte sie nur kurz gesehen: rote, verquollene Augen, bleiches Gesicht, unordentliches Haar. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment umkippen. Wir wechselten kaum ein Wort. Noch konnte ich nicht mit ihr reden.
Während ich Kaelynn betrachtete, dachte ich an Brian. Dass er nie Kinder gewollt hatte. Dass er ein großartiger Vater gewesen wäre.
Ich dachte auch daran, wie Brian mich nach Großmutters Beerdigung getröstet hatte mit dem Vorschlag, auf Zeitreise zu gehen, und ich beschloss, es nun wieder zu tun. Seit seinem Tod hatte ich es mehrfach versucht – mich hinzusetzen und an die schönsten Momente mit ihm zu denken. Ich hatte es nie geschafft, der Schmerz war zu groß gewesen, und er hatte mir auch als Begleitung gefehlt. Die Zeitreisen waren nur mit ihm möglich gewesen: Es war ein Stück Brian, ein Stück seiner Welt. Aber jetzt wusste ich, dass ich es auch allein konnte. Und mir kam der – zugegeben – etwas alberne Gedanke, dass ich durch die Knochenmarkspende an Kaelynn vielleicht auch gute Erinnerungen an ihren Vater weitergeben konnte.
Ich schloss die Augen und stellte ihn mir vor, wie wir in Marrakesch waren. Ich dachte an den Tag, an dem er mir voller Begeisterung von seinen Plänen erzählt hatte, sich selbstständig zu machen. Wie hatte er da gesprüht vor Energie und Lebensfreude! Nach und nach fielen mir immer mehr von diesen schönen Momenten ein, von der Liebe, die wir füreinander gehabt hatten, von der Nähe, die uns verbunden hatte. Ich betrachtete das schlafende Kind, sah, wie sich sein kleiner Brustkorb regelmäßig hob und senkte, und ich verließ die Station in dem Bewusstsein, fünfzehn Jahre lang mit einem Mann zusammen gewesen zu sein, der mich wirklich aufrichtig geliebt hatte und der es wert gewesen war, geliebt zu werden. Na ja, wenigstens vierzehn von diesen fünfzehn Jahren.
32.
»Setz dich mal«, sagte Mary mit verdächtig weicher Stimme. Ich kam gerade vom Flughafen zurück in die Kneipe. Der Abschied von Matt war mir schwerer gefallen, als ich gedacht hatte. Hatte ich mich bereits so heftig in ihn verliebt, dass ich kaum mehr ohne ihn sein wollte? Oder verband ich mit ihm die Sehnsucht, all den Schmerz über Brian hinter mir lassen zu können und in ein anderes Leben zu fliehen? Wenn ich geglaubt hatte, Mary sei deshalb so nett und rücksichtsvoll zu mir, dann hatte ich mich getäuscht.
»Mein Mann möchte mit dir reden.«
»So förmlich, Mrs. Riley?«
Sie sah mich lange an. Ihr Blick war tief und sanft. Ich konnte mich nicht erinnern, sie jemals so gesehen zu haben.
»Du machst mir Angst«, sagte ich und lachte unsicher.
Sie lachte nicht mit, sondern zog ein ordentlich zusammengefaltetes Blatt Papier aus ihrer Jeanstasche. Es war eng von Hand beschrieben. Ich erkannte sofort Emmas Schrift. »Wo hast du das her?«, fragte ich irritiert.
»Von Ralph.«
»Was?«
Sie nickte. »Er hat es gefunden, als er letztens bei dir im Zimmer was reparieren wollte. Meinte, es sei wohl unter dein Bett geflattert.«
Ich erinnerte mich, dass wir vor ein oder zwei Wochen über eine defekte Steckdose gesprochen hatten. Aber nicht daran, dass er sie repariert hätte.
»Er findet einen persönlichen, handgeschriebenen Brief in meinem Zimmer und steckt ihn ein?« Ich konnte es immer noch nicht glauben.
»Du hast keine Ahnung, wie ich Ralph dafür schon rundgemacht habe.« Ihr Gesicht wurde für einen Mo ment ganz hart. »Kate, er hat dir jahrelang so einiges ve rschwiegen. Glaub mir, ich wollte immer, dass er mit dir redet. Ich musste ihm schwören, nichts zu dir zu sagen. Er meinte immer, er müsse auf den richtigen Zeitpunkt warten. Ich habe ihm erklärt, dass heute der richtige Zeitpunkt ist.« Sie schüttelte den Kopf. »Familiengeheimnisse. Da ist man dann von einem Moment auf den anderen nur noch angeheiratet und gehört nicht wirklich dazu.« Sie verzog den Mund.
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