Emmas Story
antwortet nicht.
Hannelores Handy geht. Sie nimmt das Gespräch würdig an, zwinkert uns zu, während sie mit den Lippen ein ›Regina‹ formt und unter Anteil nehmendem Murmeln die Küche verlässt.
Armin und ich blicken kauend und schweigend auf den Tisch.
»Sie hat sich Antonie an den Hals geworfen?«, wiederholt Armin nach einer Weile langsam.
»So in etwa, ja.«
»Und was sagt Frauke dazu? Oder hat sie nichts dazu gesagt?«
»Sie musste etwas dazu sagen. Denn ich habe sie in meiner unendlichen Sensibilität darauf angesprochen, ob sie denn gar nicht eifersüchtig ist. Und sie hat etwas ganz Schlichtes geantwortet.«
»Nämlich?«
»Nein.«
»Glaubst du ihr das?«
Ich überlege kurz. »Vielleicht nicht ganz. Denn mir kam es hinterher schon so vor, als würde sie immer mal wieder hinschielen. Weißt du, dieses beinahe zufällige Hinsehen, wie man es macht, wenn man nicht möchte, dass es irgendjemand mitbekommt.«
So wie ich in genau der Sekunde zur Treppe gesehen habe, als Lu und die fremde Frau sich küssten.
Wieder bleibt Armin still. Bilde ich mir das nur ein, oder ist sein Schweigen missbilligend? Aus dem Wohnzimmer ist Hannelores Stimme gedämpft zu hören.
»Armin?«, sage ich. »Ich schwöre dir, ich wollte nicht, dass sich das Gespräch in diese Richtung entwickelte. Da war nur so ein klitzekleiner Gedanke, den ich mir aber sofort wieder verboten habe. Ich habe nur Lu und Antonie beim Flirten zugesehen, und dann habe ich Frauke darauf angesprochen. Alles andere kam wie von selbst. Falls Frauke sich Sorgen gemacht hat, habe ich das jedenfalls nicht gewollt.«
»Schon klar«, sagt Armin leise und nachdenklich. »Andererseits … wenn es jetzt schon mal geschehen ist …?«
»Wie?« Ich kann ihm nicht folgen. Oder vielmehr möchte ich ihm nicht folgen können. Denn in Wahrheit weiß ich augenblicklich, was er mit dieser Bemerkung meint.
»Wenn doch Frauke und Antonie Gefallen aneinander finden und Frauke zudem auch vielleicht ein klitzekleines bisschen eifersüchtig ist, wäre das nicht eine gute Ausgangsposition, um dich wieder oder vielmehr endlich ins rechte Licht zu rücken?«
»Armin«, stammele ich und setze das Brötchen, von dem ich gerade abbeißen wollte, wieder auf dem Teller ab. Seine Kaltblütigkeit verblüfft und schockiert mich. Doch im gleichen Atemzug spüre ich, wie noch ein anderes Gefühl in mir aufsteigt. Ich kann es jedoch nicht greifen und spreche daher einfach weiter. »Du meinst doch jetzt nicht allen Ernstes, dass ich wie in Gefährliche Liebschaften Intrigen schmieden und Frauke das Herz brechen soll, nur um es dann wieder zusammenflicken zu können?!«
»Wer spricht von Intrigen?«, erwidert Armin. »Ich hatte bei deiner Erzählung vom letzten Samstag den Eindruck, dass da auch ohne dich schon genug abläuft. Ich meinte ja nur, dass eine nebenbei fallen gelassene Bemerkung hier und da oder auch eine von dir initiierte Begegnung zu viert vielleicht Klärung bringen könnte, was Antonie wirklich will.«
Ich horche Armins betont unschuldiger Stimme nach. Solche Ideen bin ich von ihm überhaupt nicht gewohnt. Eher spielt er sich gern als Moralapostel auf, trägt hehre Ansprüche wie auf einem Banner vor sich her und urteilt abwertend über Menschen, die sich über seine beinahe christlichen Regeln der Nächstenliebe und Fairness hinwegsetzen.
Vielleicht ist es gerade die Tatsache, dass Armin normalerweise nicht für derartiges Gedankengut zu haben ist, die dieses andere Gefühl, das neben meiner Empörung über die Unverfrorenheit meines Freundes aufgetaucht ist, mehr und mehr wachsen lässt. Ich spüre, wie es auflodert und schiebe es vehement zur Seite.
»Was Antonie will? Ist doch klar: Sie will Frauke. Und Frauke will Antonie. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Die beiden sind seit sieben Monaten ein Paar und werden es auch bleiben«, versuche ich abzuwiegeln. Die Richtung, in die unser Gespräch driftet, ist mir unheimlich.
»Du hast aber gesagt, dass sie nicht mehr so eng sind wie am Anfang«, erinnert sich Armin.
»Ja. Sicher. Das ist doch normal. Nach der ersten Frischverliebt-Zeit, oder?«
»Und du hast gesagt, dass Antonie und Lu geflirtet haben.«
»Na ja, es sah jedenfalls sehr danach aus.«
»Und sieben Monate sind nicht wirklich lange.«
»Nicht?«
»Nein. Viele Beziehungsversuche gehen nach dieser Zeit wieder in die Brüche. Weil nämlich genau diese erste Zeit des Verliebtseins vorbei ist. Es gibt viele Leute, die sich dann wieder anders
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