Emmas Story
verschwunden.
Ich setze mich zu Armin auf die Couch und starre vor mich hin.
Jetzt wäre eine gute Gelegenheit abzuhauen. Vielleicht ist Lu mit den Hunden so weit die Straße hinuntergegangen, dass ich ihr nicht einmal mehr begegnen müsste.
Unverschämtheit, was sie mir da gerade alles an den Kopf geworfen hat.
Einfach grässlich dieses Bild, das sie von mir hat.
Als ob Ramona und ich nur aneinander vorbeigelebt hätten!
Als ob ich bei Frauke gerade deswegen so lange gezögert hätte, weil ich gar keine enge Beziehung eingehen wollte.
Als ob es symptomatisch wäre, dass ich diese wundervollste Frau von allen auch jetzt noch nicht vergessen kann. Auch wenn ich weiß, dass ich nicht die Richtige für sie bin. Und sie wahrscheinlich auch nicht die Richtige für mich.
Aber wie müsste sie sein, meine Richtige?
Neben mir beginn Armin leise zu schnarchen.
Ich seufze und strecke mich auf dem kleinen Stückchen Sofa aus, das er noch frei lässt.
In den Regalen, die durch das schwache Licht, das durch die Fenster hereinfällt, scheinbar blau beleuchtet werden, werfen Lus Sammlerstücke die bizarrsten Schatten an die Wände.
Da sind die alten Musikinstrumente, eine Klarinette, zwei verschieden große Geigen, mehrere Flöten und Tamburine. Direkt daneben eine ganze Armee von Spieluhren. Die Stofftiere dort in der Nachbarschaft scheinen zum Leben zu erwachen. Sie starren mich verwundert an und flüstern miteinander. Wieso ist sie noch hier? Warum verschwindet sie nicht endlich, so wie sie es vorhatte?
Ich bleibe liegen.
Bis ich etwas Kaltes an meiner Hand spüre und mich erschrocken aufsetze.
Es ist Kasper, der meine Finger beschnuppern wollte und jetzt, verwundert über meine unangemessene Reaktion, vor mir steht. Da er nicht weiß, was er tun soll, kratzt er sich erst einmal hinter dem Ohr.
»Lu?«, flüstere ich, um Armin nicht zu wecken. Obwohl den bestimmt auch eine Bombendetonation nicht aus seinem Rausch holen könnte. Irgendwie beneidenswert, dieser momentane Zustand der Bewusstlosigkeit, in den keine schreckliche Erkenntnis, kein Kummer und keine Trauer dringen kann. Auch wenn ich morgen früh ganz sicher nicht seinen Kopf haben möchte.
»Wo ist denn dein Frauchen?«, wispere ich Kasper zu. Doch der legt nur den Kopf schief und sieht mich weiterhin an.
Ganz seltsam wird mir unter seinem Blick zu Mute.
Es berührt mich, wie er sich so ganz auf mich konzentriert und sich vielleicht fragt, was ich hier tue und welche Funktion ich in seinem in engen Bahnen verlaufenden Hundeleben wohl übernehmen könnte.
Wie wir uns so ansehen, spüre ich plötzlich seine Seele.
Ich schwöre, mich hat noch nie jemand so angesehen.
Kinder kamen für mich nicht infrage, weil die passende Beziehung dazu fehlte, und für Tiere war irgendwie auch nie Platz in meinem Leben.
Erwachsene Menschen aber, die sehen dich nicht so an. So ernst und so tief. Dass du ihre Seele schwingen spürst und dich erkannt fühlst bis in dein Innerstes.
Wie gebannt sehen wir uns an.
Schließlich wendet Kasper langsam den Kopf zur Seite, tritt einen Schritt näher und leckt mir die Hand.
Ich kenne mich nicht aus mit Hunden, aber ich glaube, dass es genau das zu bedeuten hat, was ich glaube: ein Freundschaftsangebot. Das Zeichen, dass er mich respektiert.
Gerührt lasse ich ihn schlecken und sehe ihm dann nach, wie er langsam aus dem Raum hinausschlurft, um die Ecke biegt und verschwindet.
»Lu?« Diesmal ein bisschen lauter.
Vorsichtig stehe ich auf und gehe leise durch den Raum in den Flur.
Alle Türen stehen offen.
Nirgends ist Licht.
»Lu, wo bist du denn?«
»Hier.« Ihre Stimme kommt von rechts, aus dem Schlafzimmer.
Ich taste mich langsam hinein und bleibe in der Tür stehen.
Mitten im Raum erhebt sich ein mächtiger, schwarzer Schatten, dreht sich einmal um sich selbst und sinkt wieder schnaufend zusammen. Jojo. Kasper trampelt gerade eine Decke in der Ecke nieder. Belle sehe ich nicht.
Aber Lu.
Sie liegt angezogen auf dem Bett, mit dem Rücken zur Tür.
»Alles o. k.?«, frage ich.
Meine kämpferische Stimmung von vorhin ist verweht. Ich fühle mich ziemlich kleinlaut bei der Erinnerung an unser Wortgefecht auf der Straße.
»Sicher«, sagt Lu. »War ein anstrengender Abend.«
»Ja«, lache ich leise. »Ich glaube nicht, dass eine von uns das so schnell wiederholen möchte, oder?«
Lu antwortet nicht.
Das ist ungewöhnlich.
Normalerweise antwortet sie doch immer, wenn jemand etwas zu ihr sagt.
Zuerst überlege
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