Emmas Story
Wald vor mir, wie sie sich vorbeugte, mich ansah und sagte: ›Und wie viel sagt ein einziger Blick?‹
Doch dann geht ein Ruck durch sie, sie springt vom Hocker, strauchelt kurz, fängt sich aber beruhigend schnell wieder und greift Armin von der anderen Seite unter dem Arm.
»Pass auf!«, lächelt sie. »Wir machen das zusammen. Du steuerbord, ich backbord!«
Ich lächele flüchtig, und gemeinsam manövrieren wir den torkelnden Armin zum Ausgang.
Plötzlich kommt es mir derartig absurd vor, dass ich den ganzen Abend in meiner Wohnung gehockt und auf ihren Anruf gewartet habe, dass ich mir schon bombensicher war, dass sie gemeinsam mit Antonie gerade meine liebe Frauke ins Unglück stürzt, meine Gedanken und Überlegungen sind derart zum Brüllen, dass ich einfach laut herausplatze.
»Habbich auch zuerst gemacht!«, meint Armin dazu und konzentriert sich dann wieder auf den nächsten Schritt.
Lu stößt die Tür auf, und wir taumeln zu dritt in die kühle Nachtluft.
»Aaaahhh!«, stöhnt Armin und geht ein wenig in die Knie.
»Rechts ist es kürzer.« Lu schiebt uns in die entsprechende Richtung.
Jetzt, wo wir nicht mehr Gefahr laufen, zu beiden Seiten Tische umzureißen, geht es sogar ganz flott voran.
»Wemma eima so in Gannng ist, gehts ja«, brummelt Armin.
Lu bekommt einen Schluckauf.
Ich versuche, an dem Koloss von betrunkenem Mann vorbeizusehen. »Lu, mir ist ja klar, wieso Armin sich so betrinken muss, aber kannst du mir mal sagen, wieso du ihn nicht davon abgehalten hast, sich halb besinnungslos zu saufen, sondern auch noch mitmachst?«
Lu wendet den Kopf und sieht mich mit weit aufgerissenen Augen an.
»Das weißt du nicht, Miss Oberschlau? Miss Allesschongewusst? Weißt du wirklich nicht? – Hicks.« Letzterer hallt laut durch die nächtliche Straße.
»Wenn du auf unseren kleine Disput von vorgestern Abend anspielst, also, da lehne ich jede Verantwortung ab. Klar, ich habe mich nicht nett benommen, ich war nicht unbedingt fair …«
»Nicht fair?«, heult Lu auf, und Armin zuckt zusammen. »Heeee hoooo! Immer lannnsam mitn jungn Pferdnnn«, nuschelt er.
»Du warst richtig scheiße!«, stellt Lu entschieden klar und hickst dann wieder so laut, dass ich schon befürchte, irgendwo über uns wird gleich ein Fenster aufgerissen und ein Eimer Wasser runtergeschüttet.
»Ich denke, darüber können wir noch mal in Ruhe sprechen, wenn du wieder nüchtern bist«, schlage ich vor.
»Emma, die Coole!«, kommentiert Lu das. »Emma, die sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Außer man sagt ihr, dass man sie liebt.«
Armins Kopf fliegt herum. Erst zu Lu, dann zu mir.
»Was?«, blafft er.
»Sssscht!«, machen Lu und ich gleichzeitig.
Außer man sagt ihr, dass man sie liebt?
»Was solln das heißn? Wer liebtn Emma?«, hakt Armin nach. Ich wünschte wirklich, der Alkohol würde bei ihm auch den Teil vom Verstand benebeln, der für Klatsch und Tratsch zuständig ist.
»Niemand!«, versuche ich ihn rasch wieder zu beruhigen. »Niemand liebt mich.«
»Das ist genau dein Problem!«, schaltet Lu sich von der anderen Seite ein.
Ich weiß, ich sollte besser gar nicht darauf eingehen, aber das interessiert mich jetzt doch brennend.
»Was ist mein Problem? Dass mich niemand liebt?«
»Nein, dass du denkst, dass dich keiner liebt. Du kannst es nicht glauben, dass es Menschen gibt, die dich lieben. Das ist dein Problem«, erklärt Lu, als läge das schon seit Jahrzehnten auf der Hand.
»Unsinn!«, erwidere ich, auch wenn es besser wäre, dazu weise zu schweigen. »Meine Mutter, mein Vater, meine Freunde, sie alle lieben mich. Und es macht mir gar nichts aus, das zu sagen.«
»Richtich!«, stimmt Armin mir engagiert zu. »Ich liebe dich auch!«
»Danke, Armin. Aber bitte nicht so laut.« Ich sehe zu den Häusern hinauf, an denen wir vorbeischwanken.
»Das mein ich nicht«, erläutert Lu weiter, obwohl ich gehofft hatte, das Thema sei nun erledigt. »Ich meine die andere Liebe. Die in Liebesbeziehungen, weißt du. Die gibt es nämlich auch. Auch wenn du ihr schon dein Leben lang ausweichst.«
»Ich?«, quietsche ich auf, auch etwas zu laut, das muss ich zugeben, aber das ist doch auch wirklich ein Unding. »Ich weiche Liebesbeziehungen aus?«
»Sicher! Oder wieso läufst du jetzt schon sieben Monaten Frauke hinterher, die sich ganz sicher nicht von ihrer Antonie trennen wird?«
»Ha! Da klingt ja einige Bitterkeit in deinen Worten!«, stelle ich befriedigt fest. Hatte ich also Recht! »Hast du
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