Emmas Story
tief.
»Ein Kuss«, sage ich dann leise, immer noch das Samtweiche auf meinen Lippen. »Und was jetzt?«
Ehe ich noch einen weiteren Gedanken fassen kann, richtet Lu sich steil im Bett auf und greift nach meiner Schulter. Sie zieht mich so rasch an sich, dass wir heftig gegeneinander prallen. Ihre Arme schlingen sich um mich. Und dann küsst sie mich noch einmal.
Von Poesie und Sanftheit nicht die Spur.
Sie küsst mich mit allem, was ich in ihr jemals gesehen habe. Da sind ihre Wildheit, ihr unzerstörbarer Wille, ihre Sehnsucht und Träume genauso wie ihr freies lautes Lachen.
Ich bin erschrocken, als wäre ich plötzlich von eiskaltem Wasser überschüttet worden, ringe um Luft und fasse in ihre Haare, um mich zu befreien.
Ihre kurzen, weichen, dichten Haare, die schwarz um meine Finger fließen. Die ich festhalte. Während ich ihren Kopf nach hinten biege, während ich sie küsse. Mit allem, was ich bin und sein könnte.
Ich lasse Lu meine Zunge erproben. Ich spüre ihre Zähne, ihren Gaumen. Ich höre ihr Seufzen, das auch ein Stöhnen sein könnte, das auch meines sein könnte. Ich halte sie. Sie hält mich. Es ist ein einziger Kuss und hunderte. In denen wir versinken. Mit unseren Lippen, unseren Zungen, unseren Händen.
Wir fliegen auf den Schaukeln um die Wette, ohne ein Wort. Wir schwimmen nebeneinander im Freibad und tauchen nach einem verlorenen Ring. Unter Wasser, tief unten, berühren sich unsere Finger, als wir gleichzeitig danach greifen. Wir lauschen unserer Musik und rauschen gemeinsam durch die Dunkelheit.
Die Haut auf ihrem Bauch ist übersät mit einem weichen Flaum von kleinsten Haaren, so weich wie Seide, nur viel schöner.
Unter der Haut ihres Rückens bewegen sich die Muskeln unter meinen Händen, als spielten sie mit ihnen Fass mich!
Wir liegen aneinander, aufeinander, untereinander, beieinander. Nach langer Zeit auch beieinander.
»Das ist noch längst nicht alles«, flüstert Lu in meinen Arm.
Ich weiß, was sie meint. Und doch ist alles in mir voller Fragen.
Ich kann lange nicht schlafen.
Liege ganz ruhig und still neben ihr und höre ihr zu.
Im Schlaf sind da so viele Geräusche. Mehr, viel mehr als nur Atem. Es ist das Geräusch des sanften Hebens und Senkens des Brustkorbes. Es ist ein kleines Naserümpfen oder gar ein Schnarcher, der sie kurz zusammenzucken lässt, aber nicht erwachen. Es ist ein Seufzer, tief und ahnungsvoll. Ein grollendes Protestieren, als ich mich hier, so dicht neben ihr, zurechtlege.
Ich wage es kaum, mich zu bewegen.
Ich warte ab.
Ich will das Kribbeln spüren. Ich will, dass meine ganze linke Seite einschläft, weil sie halb auf mir liegt im Schlaf. Und will sie murren hören, weil ich ihr die bequeme Lage nehme.
Erst als meine Hand beginnt, eiskalt zu werden, ziehe ich den Arm unter ihrem Kopf hervor.
Als ich mich auf die andere Seite drehe, rückt sie nach und legt von hinten den Arm um mich.
Ich öffne die Augen.
Belle liegt an der Tür und bewacht uns alle. Das finde ich sehr beruhigend. Jojo hat sich direkt vor dem Bett niedergelassen. Und ich wette, wenn Belle knurren würde, wäre ihre große Schwester in Nullkommanichts auf den Beinen, und das ist immerhin eine beachtliche Strecke.
Es ist sicher hier.
Aus irgendeinem Grund ist dies der sicherste Raum, in dem ich seit langem gewesen bin. Vielleicht der sicherste, in dem ich je schlafen werde.
Der Raum, in dem ich neben Lu liege.
11. Kapitel
»Möchten Sie stilvoll wohnen? Alte, kernsanierte Jugendstilvilla mitten in der Stadt bietet Raum für ruhige Mieter ohne Haustier. Gutes muss nicht teuer sein.«
W ie gut ich geschlafen habe.
Langsam werde ich wach und strecke mich.
Meine Arme und Beine fühlen sich noch schläfrig an, aber wohlig und warm ist mir.
Und geträumt habe ich.
Ich habe geträumt, dass …
Ruckartig setze ich mich im Bett auf und sehe mich blinzelnd um.
Der Platz neben mir ist leer. Das Zimmer ist leer. Keine Lu. Keine Hunde. Keine Nacht und Dunkelheit mehr, die alles verhüllen könnte, was passiert ist.
Oh Gott, was ist nur passiert!
Oh, nein! Was habe ich getan!
In meinem Mund fühlt sich die Zunge dick und pelzig an. Wenn ich mich schon nach einem einzigen Whisky so fühle, wie muss es dann erst Armin gehen?
Ich tapse barfuß – keine Ahnung, wo meine Socken sind, ich kann sie nirgends entdecken – aus dem Zimmer und hinüber ins Wohnzimmer.
Hier steht die Junisonne voll im Raum und blendet mich zuerst so sehr, dass ich kaum etwas erkennen
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