Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen
Gegenwartsliteratur oft gerade kennzeichnend, dass
-wenig passiert;
-die Gefühle zum Ende hin abflachen, es entsteht Leere;
-nichts entschieden wird, sondern das Problem einfach an Bedeutung verliert oder ungelöst stehen bleibt.
Wer Spannung erzeugen will, braucht aber die Mittel der Steigerung und der Entscheidung. Sexualität verläuft nach einer ähnlichen Spannungskurve. Der Erzähltext spricht auch die Energien von Spannung und Lösung an. Der Rhythmus von Zusammenziehung und Ausdehnung prägt auch die emotionalen Vorgänge beim Schreiben und Lesen. In einem kritischen Moment krampft sich der Körper zusammen, in einem lösenden Augenblick lockert sich alles. Mit einer gelungenen emotionalen Dramaturgie können Sie diesen Spannungswechsel erzeugen.
Anregung
1.Zeichnen Sie eine Spannungskurve auf ein großes Blatt Papier: Je dramatischer die Gefühle nach oben oder nach unten sind, desto heftiger schlägt Ihre Kurve aus. Notieren Sie die Gefühle, die in Ihrem Text auftreten sollen. Mit einer anderen Farbe notieren Sie Handlungselemente. Dann schreiben Sie eine Geschichte.
2.Entwickeln Sie eine Geschichte nach folgendem Aufbauplan:
•Ausgangspunkt: eine ruhige Situation
•Ein Ereignis bricht ein, das die Ruhe stört. (Beispiele: ein plötzlicher Mord; eine schockierende Diagnose, eine unerwartete Entlassung)
•Die Versuche des Charakters, die Probleme zu lösen
•Zusteuerung auf einen »schwarzen Moment« – große Gefühle
•Lösung/Ergebnis
4. Literarisches Spiel mit emotionalen Mustern
Emotionale Muster durchschauen
Wenn man eine Erzählung schreibt, bestimmt man die emotionale Kurve: Durch welche Gefühle will ich meine Leser führen? Welche Atmosphäre möchte ich erzeugen? Welcher emotionale Nachklang soll zurückbleiben?
Daraus ergibt sich die Frage: Welchen Ablauf müssen wir strukturieren, um die geplante Gefühlskurve zu verwirklichen?
Diese Frage mag ungewöhnlich klingen. Schließlich nimmt man meistens die Handlung oder das Geschehen einer Geschichte zum Ausgangspunkt für das literarische Schreiben. Nun sollen Emotionen der rote Faden sein?
Ein Beispiel:
Jemand möchte eine Geschichte erzählen, wie es ist, seine Heimat zu verlieren, in der Fremde zu sein und in neuer Umgebung langsam Wurzeln zu schlagen. Er kann die Geschichte einer Familie berichten, die sich 1945 in Schlesien auf einen Flüchtlingstreck begibt, in mehreren deutschen Städten bei Verwandten Station macht und sich schließlich an einem Ort niederlässt – für die Eltern ein dauerhaftes Provisorium, für die Kinder allmählich das Zuhause.
Er kann aber auch die Geschichte eines Kurden erzählen, der sich 1998 auf abenteuerlichen Wegen aus der Türkei schleusen lässt, in Deutschland einen Asylantrag stellt, der abgelehnt wird, und dann mit Hilfe von Freunden und Menschenrechtsorganisationen um ein Bleiberecht kämpft, das er sich mühsam erstreitet.
In beiden Fällen gewinnt die Geschichte ihre Glaubwürdigkeit dadurch, dass die Fakten stimmen – und dass die Gefühle von Entfremdung, Angst, Suche und Hoffnung, am neuen Ort angekommen zu sein, differenziert und subtil dargestellt sind. Der Autor dieses Beispiels kann sein Thema aber noch ungewöhnlicher und überraschender gestalten: Sein Protagonist könnte ein Mensch sein, der in seinem Beruf, in dem er sich zu Hause fühlt, nicht mehr arbeiten kann, oder jemand, der sich nach einer Operation in seinem Körper nicht mehr zu Hause fühlt. Wo überall könnten noch Heimat und Fremde zu finden sein? Die Möglichkeiten, Erzählstoffe zu finden, sind vielfältig, die damit verbundenen Grundgefühle ähnlich.
Beispielhafte Fragen zu
emotionalen Mustern
Welche emotionalen Entwicklungen und Wendungen wollen Sie zum Thema Ihres literarischen Werkes machen? Als Anregung einige Beispiele:
-Eine menschliche Enttäuschung mit einem positiven Ausgang?
-Die Liebe zu einem Kind?
-Die Angst, zurückgewiesen zu werden?
-Die Trauer durch den Tod eines geliebten Menschen und die allmähliche Überwindung dieser Trauer?
-Den Ärger über eine ungerechte Behandlung?
Vertreter der amerikanischen Tradition des kreativen Schreibens haben den Begriff der »Prämisse« geprägt. Die »Prämisse« ist die Leitidee eines Textes, die als Motto über dem Ganzen steht. Sie ist die in einem Satz fassbare Botschaft des Textes.
Prämissen haben viel mit Gefühlen zu tun. Sie enthalten in der Regel eine emotionale Erfahrung und ihre moralische Bewertung. bestehen aus einer
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