Empfindliche Wahrheit (German Edition)
amerikanische Team macht, ist ganz allein Sache der Amerikaner.«
Worauf der Minister in Tobys aufgescheuchter Phantasie Jeb einen bedeutungsschweren Blick zuwirft, ehe er resignierend den rötlichen Boxerschädel schüttelt: wären ihm doch nur nicht die Lippen versiegelt!
»Euer Auftrag, Jeb, um das noch einmal zu wiederholen, ist es, mit einem Minimum an Gewalt ein HVT « – hastige Übersetzung, wohl für Paul – »High Value Target, ein hochrangiges Ziel, Target, nicht Terrorist, auch wenn sich das in diesem Fall deckt – ein HVT , auf dessen Kopf ein sehr hoher Preis ausgesetzt ist und das die Unklugheit besessen hat, in britisches Territorium einzudringen« – die Wahllosigkeit, mit der er seine Betonungen verteilt, ist für Toby ein untrügliches Indiz für seine Unsicherheit –, »zu verhaften oder anderweitig zu neutralisieren. Notwendigerweise werdet ihr inkognito dort sein, ohne Wissen der Behörden vor Ort, unter Einhaltung strengster Sicherheitsauflagen. Ebenso Paul. Ihr führt euren Auftrag aus, indem ihr euch dem HVT strikt von der Landseite nähert, während zeitgleich eure nicht-britische Schwestereinheit vom Meer her vorrückt – in britischen Hoheitsgewässern, wohlgemerkt, was immer die Spanier anderes sagen mögen. Sollte diese nicht-britische Einheit aus eigenem Antrieb dafür optieren, das Ziel aus dem Zuständigkeitsbereich, sprich, aus den britischen Hoheitsgewässern zu exfiltrieren, werden weder Sie persönlich noch irgendein Mitglied Ihres Teams mit diesem Akt etwas zu tun haben. Also noch einmal« – steter Tropfen –, »ihr seid eine Bodeneinheit , die ihrer Aufgabe, souveränes britisches Territorium zu schützen und zu verteidigen , auf eine nach internationalem Recht absolut legale und unangreifbare Art und Weise nachkommt, und ihr tragt keinerlei Verantwortung für den Ausgang der Operation, ob ihr in Uniform seid oder in Zivil. Ich zitiere wörtlich die Expertenmeinung eines der wohl besten und qualifiziertesten internationalen Anwälte von ganz England.«
Vor Tobys innerem Auge erscheint wieder der gottvolle Roy Stormont-Taylor, Kronanwalt, dessen Ratschläge so wohltuend frei von Amtsstubenmief sind.
» Was ich damit sagen will, Jeb« – der Ton nun nachgerade priesterlich –, »jetzt, wo der Countdown zum D-Day uns schon in den Ohren schallt – Ihnen als dem Soldaten Ihrer Majestät, mir als Staatsminister Ihrer Majestät und Paul hier als, wie soll man sagen – ja, Paul?«
»Als Ihrem roten Telefon? «, schlägt Paul hilfreich vor.
»Was ich damit also sagen will, Jeb: Bleibt einfach mit beiden Füßen auf diesem kostbaren britischen Stück Fels, überlasst alles Übrige Elliot und seiner Truppe, und ihr seid rechtlich auf der sicheren Seite. Ihr habt britisches Hoheitsgebiet verteidigt, ihr habt mitgeholfen, einen nachgewiesenen Verbrecher festzusetzen, ihr gemeinsam mit etlichen anderen. Was mit besagtem Verbrecher passiert, wenn er einmal von britischem Boden – und aus den britischen Territorialgewässern – entfernt worden ist, braucht und hat euch nicht zu interessieren. Jetzt nicht, und auch in Zukunft nicht.«
***
Toby drückte auf »Stop«.
»Britisches Stück Fels ?«, flüsterte er laut, den Kopf in den Händen.
In ungläubigem Entsetzen lauschte er noch einmal.
Und dann ein drittes Mal, unter neuerlichem fieberhaftem Gekritzel auf Isabels Einkaufsblock.
Fels. Wieder die Stopptaste.
Dieses kostbare britische Stück Fels, auf dem Jebs Team mit beiden Füßen zu bleiben hatte … Kostbar, ja, weit kostbarer als Grenada, wo der britische Halt so schwach war, dass die amerikanischen Truppen hereingepoltert kommen konnten, ohne auch nur an der Haustür zu klingeln.
Es gab auf der Welt nur einen Fels, der diese Bedingungen erfüllte, und die Vorstellung, dass er als Schauplatz einer außerordentlichen Auslieferung dienen sollte, eines Gemeinschaftswerks von freigestellten, ununiformierten britischen Soldaten und juristisch nicht belangbaren amerikanischen Söldnern, war so ungeheuerlich, solcher Zündstoff, dass Toby trotz aller Foreign-Office-Schulung im gemäßigten, wertfreien Reagieren eine ganze Weile nur wie vom Donner gerührt an die Wand starren konnte, ehe er sich auch den Schluss anhörte.
***
»Haben Sie sonst noch was auf dem Herzen, oder sind wir durch?«, erkundigt sich Quinn zuvorkommend.
Im Geist blickt Toby durch Jebs Augen auf die hochgezogenen Brauen und das angespannte Halblächeln, Anzeichen dafür, dass das
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