Empfindliche Wahrheit (German Edition)

seine steinerne Amtsmiene dazu.
    »Und die Unterstellung, Ihr Minister, der meines Wissens ein entspannendes und wohlverdientes Wochenende mit engen Freunden in seinem kürzlich erworbenen Haus in den Cotswolds verbracht hat, könnte bei einer hirnlosen Geheimoperation an den Ufern einer souveränen britischen Kolonie mitgemischt haben, ist – Moment! – so verleumdend wie illoyal. Ich rate Ihnen dringend, schminken Sie sich diese Idee ab!«
    »Giles. Das kann doch nicht wahr sein. Giles! «
    Er packte Oakley am Arm und zog ihn in eine Ausbuchtung in der Balustrade. Oakley sah eisig auf Tobys Hand hinab und entfernte sie dann behutsam.
    »Sie irren sich, Toby. Wenn es eine solche Operation gegeben hätte, glauben Sie nicht, unsere Geheimdienste – die gegen nichts so allergisch sind wie gegen über die Stränge schlagende Privatarmeen – hätten mich davon unterrichtet? Sie haben mich von nichts dergleichen unterrichtet, also gab es auch nichts dergleichen.«
    »Sie meinen, die Agenten wissen selbst nichts davon? Oder sie schauen absichtlich weg?« – Mattis Anruf fiel ihm ein. »Was versuchen Sie mir hier zu sagen, Giles?«
    Oakley hatte einen Platz für seine Unterarme gefunden und beugte sich übers Geländer, als wäre er völlig gebannt von dem Treiben unten an der Promenade. Seine Stimme hingegen blieb so leblos, als würde er ein Grundsatzpapier verlesen.
    »Ich versuche Ihnen zu sagen, und zwar mit aller mir zu Gebote stehenden Eindringlichkeit, dass es nichts zu wissen gibt. Es gab nie etwas, und es wird nie etwas geben, abgesehen von den Phantasien Ihres überhitzten Hirns. Sparen Sie die für Ihren Roman auf und konzentrieren Sie sich auf Ihre Karriere.«
    »Giles« , flehte Toby wie in einem bösen Traum. Aber Oakleys Züge, koste es ihn, was es wolle, verharrten in eherner, fast schon leidenschaftlicher Leugnung des Unleugbaren.
    »Was denn?«, fragte er unwirsch.
    »Das sind keine Phantasien meines überhitzten Hirns. Hören Sie doch: Jeb! Paul! Elliot! Brad! Ethical Outcomes! Das Stück Fels! Paul arbeitet bei uns, im Außenministerium. Er ist ein bewährter Mitarbeiter. Ein Kollege. Er hat eine kranke Frau. Er ist ein Unterflieger . Überprüfen Sie den Urlaubsplan, und schon haben Sie ihn. Jeb ist Waliser. Sein Team rekrutiert sich aus unseren eigenen Spezialeinsatzkräften. Sie sind aus den Regimentsunterlagen gelöscht, damit man sich nicht zu ihnen bekennen muss. Die Briten schieben von der Landseite, Crispin und seine Söldner, unterstützt durch Brad Hester, ziehen vom Meer aus, mit Miss Maisie als generöser Geldgeberin und Roy Stormont-Taylor als Legalitätsgaranten.«
    In einem Schweigen, das durch das Getriebe rund um sie noch unterstrichen wurde, lächelte Oakley unverwandt auf den Fluss hinaus.
    »Und all das haben Sie aus Gesprächsfetzen, die nicht für Ihre Ohren bestimmt waren, aber die Sie trotzdem gehört haben? Aus fehlgeleiteten Akten mit Geheimhaltungsvermerken und Totenköpfen auf dem Deckel, die rein zufällig bei Ihnen gelandet sind? Von Verschwörern, die ihre Geheimnisse unbedachterweise in Ihrer Hörweite ausgeplaudert haben? Wie außerordentlich findig Sie sind, Toby. Ich meine mich zu erinnern, dass Sie nicht an Türen lauschen. Einen Moment lang kam es mir fast so vor, als wären Sie bei dem Treffen zugegen gewesen. Nein «, befahl er, und ein paar Sekunden sprach keiner etwas.
    »Hören Sie zu, lieber Junge«, fuhr er dann in deutlich milderem Ton fort. »Über was für Material Sie auch zu verfügen meinen – hysterischer, anekdotischer, elektronischer Natur, ich will’s gar nicht wissen –, vernichten Sie es, bevor es Sie vernichtet. Überall in Whitehall wird tagtäglich Nonsens aller Art erdacht und wieder verworfen. Bitte, um Ihrer eigenen Zukunft willen, glauben Sie mir, dass dieser Plan dazugehört.«
    War da ein klitzekleines Schwanken in seiner Stimme? In dem Geschiebe schattenhafter Fußgänger ringsum, inmitten all der vorbeistreichenden Lichter und des Verkehrsbrausens konnte Toby sich nicht sicher sein.
    ***
    Allein in seiner Küche spielte er als Erstes noch einmal sein Tonband ab und zeichnete es digital auf. Die Digitalaufnahme überspielte er auf den Computer und kopierte sie dann auf einen Speicher-Stick. Dann verschob er die Datei in den entlegensten Winkel seines PC s, auch wenn natürlich kein Winkel entlegen genug war, sollten die Spezialisten das Gerät je in die Fänge bekommen; in dem Fall war seine einzige Chance, die Festplatte mit dem