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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Zeitfenster dabei ist, sich zu schließen, Zuvorkommenheit hin oder her.
    Lässt Jeb sich dadurch einschüchtern? Nein, einschüchtern nicht. Jeb ist Soldat und erkennt einen Befehl, wenn er einen hört. Jeb weiß, wann alles gesagt und jedes weitere Wort zwecklos ist. Jeb weiß, der Countdown läuft und auf sie wartet eine Aufgabe. Und jetzt kommen auch die Sirs .
    Er dankt dem Minister für seine Geduld, Sir.
    Er dankt für die Expertenmeinung des besten und qualifiziertesten internationalen Anwalts von ganz England, Sir.
    Er wird seinen Männern Quinns Botschaft ausrichten. Er kann nicht für sie sprechen, aber er nimmt an, dass sie jetzt ein besseres Gefühl bei der Sache haben werden, Sir.
    Bei seinen letzten Worten wird Toby noch bänger zumute:
    »Und hat mich sehr gefreut, Paul. Dann bis zu unserem großen Tag, wie man so schön sagt.«
    Und Paul, wer immer er ist – der Unterflieger , denkt Toby verspätet und umso ergrimmter –, was macht er , oder was macht er eben nicht, während der Minister Jeb seinen Zaubersand in die Augen streut?
    Ich bin Ihr rotes Telefon, stumm, bis es klingelt.
    ***
    Sich entfernende Schritte, eine zufallende Tür, auf viel mehr war er nicht gefasst, aber jetzt spitzt Toby die Ohren doch wieder. Die Schritte auf dem Band verhallen, der Schlüssel dreht sich, satte Lobb-Sohlen nähern sich dem Tisch.
    »Jay?«
    War Crispin die ganze Zeit über mit im Zimmer? Im Schrank versteckt, das Ohr am Schlüsselloch?
    Nein. Der Minister spricht über eine seiner vielen Direktleitungen mit ihm. Seine Stimme ist sanft, fast schon servil.
    »Alles geschafft, Jay. Ein bisschen Geknatsche noch, aber das war ja zu erwarten. Roys Formel hat bestens gewirkt … Nichts da, alter Knabe! Ich hab es nicht angeboten, und er hat nicht gefragt. Wenn er gefragt hätte, dann hätte ich gesagt: ›Tut mir leid, Kumpel, damit habe ich nichts zu tun. Wenn Sie darauf Anspruch zu haben glauben, müssen Sie das mit Jay ausdiskutieren.‹ … Hält sich wahrscheinlich für was Besseres als ihr Kopfgeldjäger …« Ein jäher Ausbruch, halb Zorn und halb Erleichterung: »Und wenn ich was auf den Tod nicht ausstehen kann, dann, mir von so einem walisischen Zwerg Moralpredigten anzuhören!«
    Gelächter, fernes Echogelächter aus dem Hörer. Themawechsel. Ministerielles »Ja« und »Natürlich«.
    »… und Maisie hat damit auch kein Problem? Keine Bauchschmerzen, nichts? Braves Mädchen …«
    Lange Stille. Dann wieder Quinn, die Stimme jetzt gefügig gesenkt:
    »Hmm, wenn Brads Leute das sagen, dann muss man es ihnen wohl auch zugestehen, keine Frage … in Ordnung, so gegen vier … Schloss oder bei Brad? … Schloss passt mir auch besser, muss ich sagen, da ist man doch mehr für sich … Nein, nein, danke, keine Limousine. Ich nehm mir einfach ein Taxi. Dann bis um vier.«
    ***
    Toby saß auf dem Bettrand. Auf dem Laken Spuren ihrer letzten, lieblosen Vereinigung. Auf dem BlackBerry neben ihm der Text seiner jüngsten Nachricht an Oakley, abgeschickt vor einer Stunde: alles im Eimer können wir reden bitte, Toby .
    Bett frisch überziehen.
    Isabels Hinterlassenschaften aus dem Bad räumen.
    Abendessensgeschirr spülen.
    Den restlichen Burgunder in den Ausguss kippen.
    Und jetzt alle zusammen: Der Countdown läuft … die Uhr tickt … dann bis zu unserem großen Tag, wie man so schön sagt, Paul .
    Welcher Tag? Heute? Morgen?
    Und immer noch keine Nachricht.
    Omelett braten. Die Hälfte stehen lassen.
    Fernseher einschalten, um sofort einer der kleinen Ironien des Schicksals zu begegnen: Roy Stormont-Taylor, Kronanwalt in gestreiftem Hemd und offenem weißem Kragen, dozierte mit seidiger Stimme über den fundamentalen Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit.
    Ein Aspirin schlucken. Sich aufs Bett legen.
    Und an irgendeinem Punkt musste er doch eingedöst sein, denn das Piepsen einer eingehenden SMS ließ ihn hochfahren wie ein Feueralarm:
    Rate dringend, sich die Dame ein für alle Mal aus dem Kopf zu schlagen.
    Keine Unterschrift.
    Und die Antwort, wütend und impulsiv: Ausgeschlossen! Viel zu wichtig! Aussprache zwingend! Bell.
    ***
    Alles Leben ist zum Erliegen gekommen.
    Nach dem überstürzten Vorpreschen der Absturz in endlose, fruchtlose Warterei.
    Den Tag über sitzt er an seinem wuchtigen Schreibtisch im Vorzimmer des Ministers.
    Arbeitet sich methodisch durch seine E-Mails, nimmt Anrufe entgegen, ruft selbst an, wobei seine eigene Stimme ihm fremd vorkommt. Giles, wo zum Teufel steckst

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