Empty Mile
haben, okay? Danach gibt es nur noch dich, mich und Empty Mile, Baby.«
Erst als ich aus dem Jeep ausgestiegen war, dachte ich wieder an den Rucksack auf dem Rücksitz. Mir drehte sich der Magen um, aber es war zu spät. Gareth hatte schon die Tür zugeschlagen und abgesperrt. Ich zerrte am Türgriff und klopfte auf das Dach. Im Auto lächelte Gareth und kurbelte das Fenster zwei Zentimeter herunter.
»Du musst dir keine Sorgen machen, Johnny. Ich kümmere mich um alles.«
»Ich will das Rohr.«
Er zog ein Gesicht, als könnte er mich nicht hören, und fuhr vom Bordstein weg. »Bleib locker, Alter.«
Ich sah, wie er wendete und davonfuhr. Dann stieg ich in meinen Pick-up ein, blieb lange Zeit reglos sitzen und verfluchte mich. Meine Fingerabdrücke und Jeremy Tripps Blut. Selbst mit allergrößter Mühe hätte ich Gareth kein besseres Druckmittel gegen mich in die Hand geben können.
Marla war im Bett, aber wach, als ich nach Hause kam; sie saß mit dem Rücken zur Wand und hatte die Knie bis zur Brust gezogen, als bereitete sie sich auf einen schrecklichen Angriff vor. Auf dem Weg durch die Küche hatte ich eine Flasche Bourbon mitgenommen. Ich setzte mich neben Marla, trank und schloss die Augen, öffnete sie jedoch wieder, als ich nicht mehr ertragen konnte, was ich in meinem Innern sah.
Marla klammerte sich lange Zeit stumm an mich, und ich spürte, welche Angst sie hatte, Jeremy Tripps Ermordung könnte sich auf unsere Zukunft auswirken und das kleine bisschen Hoffnung auf ein normales Leben endgültig zunichte machen. Hätten wir ewig schweigen können, niemals reden, niemals eingestehen müssen, was ich getan hatte, wir hätten es so gemacht – doch das Grauen musste in Worte gefasst werden, und so schilderte ich ihr, zwischen Schlucken von dem rauen, brennenden Whiskey, was in dieser Nacht geschehen war.
Ich erzählte ihr, wie Jeremy Tripp gestorben war, und dass Gareth jetzt ein Rohr mit meinen Fingerabdrücken darauf hatte. Und während ich erzählte, während ich die blutigen Ereignisse aus dem Nebel des Grauens herausholte und mit Worten greifbar machte, kam mir langsam ein Gedanke, der schon seit dem Augenblick, als ich Gareth unter Jeremy Tripps Auto liegen sah, in meinem Unterbewusstsein genagt hatte und jetzt allmählich an die Oberfläche drängte.
»Der Unfall meines Vaters.«
»Was?« Marla, deren Gedanken um Mord kreiste, kam durch den Themenwechsel aus dem Konzept.
»Der Unfall meines Vaters wurde durch eine defekte Bremsleitung verursacht.«
»Und?«
»Eine
durchgerostete
Bremsleitung.«
»Und Gareth hat Säure auf Tripps Bremsen getupft.«
»Genau.«
»Aber das Auto deines Vaters war einfach alt, es wurde keine Säure daran gefunden. Jedenfalls hast du so etwas nie erwähnt.«
»Die hielten es für Materialverschleiß. Niemand hat gezielt nach etwas gesucht. Warum auch? Aber zwei Unfälle? Zwei durchgerostete Bremsleitungen? Das wäre doch ein wenig zu viel des Zufalls, findest du nicht auch?«
»Aber Ray ist nicht gestorben. Er wurde bei dem Unfall nicht einmal verletzt. Hör auf, Johnny. Du musst dich zusammenreißen. Heute Nacht reicht. Du hast mehr als genug zu verarbeiten. Trink. Denk nicht mehr nach.«
Ich fror, obwohl Marla mich fest an sich drückte. So kalt, als würde mir nie wieder warm werden. Was Gareth über den Mord gesagt hatte, dass es uns irgendwann vorkommen würde, als wäre alles nie passiert, das traf vielleicht auf ihn zu, aber ganz sicher nicht auf mich. Es war unmöglich, dass ich je das Gewicht des Rohrs in meiner Hand vergessen würde, den Schwung, als es durch die Luft rauschte, den dumpfen Schlag gegen Jeremy Tripps Kopf. Das alles würde ich niemals vergessen.
Ich schlotterte plötzlich als körperliche Reaktion und wusste, ich musste es unterdrücken, sonst würde es mich überwältigen. Und so trank ich schneller, füllte mein Glas im kalten Schein der Glühbirne an der Decke, ein Licht, das alles zu häuten schien, was mit ihm in Berührung kam. Ich trank ein Glas, dann noch eins, und noch eins. Es dauerte ziemlich lange, bis der Alkohol Wirkung zeigte, und als es so weit war, als seine warme Flut schließlich die Ränder meines Denkens ausfranste, glitt mein übermüdeter Verstand nicht ins Vergessen, sondern beschwor Bilder einer anderen Straße herauf, eines anderen Autos, das einen anderen Hügel hinabraste. Mein Vater und ich, die unverletzt und lachend davongekommen waren. Und etwas später, als ich endlich doch einschlief, ein
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