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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
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solltest du besser nichts abbekommen.«
    Gareth schraubte den Verschluss des Flakons auf und goss langsam eine klare Flüssigkeit in den Glaskrug, bis das Konzentrat einen Zentimeter hoch davon bedeckt war. Stan, den die geheimnisvolle Prozedur etwas nervös machte, sah mich mit großen Augen an.
    »Das ist der Moment, wenn im Film der durchgeknallte Wissenschaftler auftaucht.«
    Gareth kicherte, während er den Krug vorsichtig schwenkte. »Salpetersäure, Alter. Wenn man die auf den Boden schüttet, frisst sie sich bis nach China durch.«
    »Äh!« Stan wich noch einen Schritt zurück.
    »Die Goldkörnchen da drin sind mit allem möglichen Mist behaftet – Pinienöl von den Bäumen, Magnesium, Eisensulfid … Ich reinige sie nur, bevor wir das Quecksilber anwenden.«
    Gareth schwenkte den Krug behutsam eine Weile, dann goss er die Säure in eine leere Glasflasche und wusch das Konzentrat mehrmals mit Wasser aus einer Spüle in der Ecke der Scheune. Er füllte einen Milchkrug aus Plastik mit Wasser und brachte ihn zusammen mit dem anderen Krug zur Werkbank zurück.
    »Phase zwei. Quecksilber, bitte, Schwester!«
    Er nickte zu einer Glasflasche mit Stopfen unter der Werkbank. Stan gab sie ihm, als handelte es sich um eine Bombe. Gareth öffnete sie und goss das silberne, flüssige Metall auf das Konzentrat. Dann schüttete er Wasser aus dem Milchkrug darauf, schwenkte den Krug und nutzte die Bewegung des Wassers, um Konzentrat und Quecksilber innig zu vermischen.
    Ich hatte meinen Vater diesen Vorgang mehrmals durchführen sehen und wusste daher, eine der Eigenschaften von Quecksilber ist, dass es Gold absorbiert. Den Klumpen der daraus resultierenden Quecksilber-Gold-Mischung nennt man Amalgam, und man kann ihn leicht von dem verbleibenden, nicht goldhaltigen Konzentrat trennen.
    Als Gareth fertig war, holte er das Amalgam mit einem alten Löffel aus dem Krug. Stan und ich traten unwillkürlich näher. Das war Magie. Das war Alchimie. Wir sahen jetzt einen stumpfen, grauen Klumpen, der gleich ein reines Metall freigeben würde, das wir gegen Geld verkaufen konnten.
    Der nächste Schritt musste wegen der dabei entstehenden giftigen Dämpfe im Freien stattfinden. Wir entrollten ein langes Verlängerungskabel und stellten die Heizplatte mehrere Meter vom Eingang der Scheune entfernt auf einen Stuhl. Gareth stellte eine zu zwei Dritteln mit Salpetersäure gefüllte Pyrexschale auf die Heizplatte und ließ den Klumpen Amalgam hineingleiten. Fast augenblicklich stiegen Schwaden von der Oberfläche der Säure empor. Ich musste Stan fortziehen, damit er sie nicht einatmete. Gareth schaltete die Heizplatte ein, dann gingen wir alle drei zum Scheuneneingang zurück und ließen die Lösung das Quecksilber wegätzen.
    Nach fünf Minuten zog Gareth das Verlängerungskabel aus der Steckdose an der Wand, und als die Säure abgekühlt war, gingen wir wieder hin und sahen zu, wie Gareth unser Gold mit einer Zange aus der Schale herausholte.
    Ein denkwürdiger Moment – unsere erste Reduktion von Erde zu Edelmetall –, und irgendwie wäre es dem Anlass angemessen gewesen, wenn das Gold, das Gareth uns präsentierte, klar, solide und glänzend gewesen wäre, aber durch die Quecksilberamalgamierung erhält man etwas, das man
Schwammgold
nennt – Gold, das die Farbe von Rost hat und von Löchern durchzogen ist, wo die Säure das Quecksilber aufgelöst hat. Die Hitze eines Schneid- oder Bunsenbrenners wäre erforderlich gewesen, um die wahre Farbe und den Glanz zum Vorschein zu bringen.
    In der Scheune spülten wir das Gold ab und wogen es. Als die Nadel der Wage zur Ruhe kam, verschlug es uns die Sprache. Eine Weile herrschte Schweigen, bis Gareth es mit einem geflüsterten »Herrgott« brach. Die Nadel stand etwas über der Marke von sechs Unzen – knapp hundertsiebenundachtzig Gramm. Beim aktuellen Preis von über neunhundert Dollar die Unze hatten wir durch einen Tag Arbeit mehr als fünftausend Dollar verdient.
    Wir reichten den Klumpen immer wieder zwischen uns hin und her, fühlten das Gewicht, hielten ihn unter die Lampe, bis wir irgendwann spürten, wie erschöpft wir von der Arbeit dieses Tages waren. Ich war hundemüde, Stan schlief fast im Stehen. Wir gingen zum Pick-up und ließen Gareth mit dem Gold in der Scheune zurück. Er wollte es behalten und seinem Vater zeigen, und ich widersprach nicht. Immerhin hatten wir einen ganzen Fluss, den wir ausgraben konnten.
    Stan schlief auf der Fahrt zurück nach Empty Mile; als

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