Empty Mile
meines Vaters, eine von Gareth, damit wollten wir den goldhaltigen Sand und Kies verarbeiten.
Eine Rinne ist nichts weiter als ein langer, rechteckiger, an beiden Enden offener Kasten. Auf dem Boden verlaufen horizontal einige anderthalb Zentimeter hohe Wülste. Man stellt die Rinne so tief an ein Flussufer, dass der Boden untergetaucht ist, die Wände jedoch vier bis fünf Zentimeter über die Wasseroberfläche ragen. Man schaufelt Erde in das flussaufwärts gelegene Ende, die die Strömung des Wassers dann die gesamte Länge der Rinne hinabspült. Das schwerere Material setzt sich auf dem Boden ab, wo die Wülste es festhalten, während Schlamm und Sand am anderen Ende wieder in den Fluss gespült werden. In regelmäßigen Abständen schöpft man den Bodensatz ab und kippt ihn in Eimer. Dieses Material wird dann durch Waschen in einer Pfanne weiter gereinigt. Das Ergebnis ist Konzentrat – dieselbe Mischung aus schwarzem Sand und Goldkörnchen, die wir in Gareths Scheune durch Quecksilberamalgamierung raffiniert hatten.
Der Umgang mit der Rinne erfordert ein gewisses Geschick und allergrößte Sorgfalt. Man muss genau die richtige Menge Erde einfüllen, andernfalls staut sie sich und man muss ständig Steine und größere Klumpen von Hand entfernen. Aber die Menge an Erde, die man so verarbeiten kann, ist um ein Vielfaches höher als beim Verfahren mit der Pfanne allein, und wenn mehr als eine Person die Rinne bedient – eine zum Einfüllen, die andere, um Geröll zu entfernen –, geht es noch schneller.
Aufgrund seiner Erfahrung sollte Gareth den Schaufelbagger bedienen und Flussmaterial aufhäufen, während Stan und ich uns auf die Rinne konzentrierten. An diesem ersten Morgen wollte Gareth sich jedoch möglichst schnell selbst ein Bild machen, von den Erträgen, die wir zu erwarten hätten, darum schichtete er nur rund hundert Kilo Kies und Sand am Flussufer auf und kam dann zu uns zu den Rinnen.
Wir arbeiteten überwiegend schweigend. Schleppten Erde in großen Plastikeimern, kippten sie mit Schaufeln in die Rinnen, sahen genau zu, wie das Wasser schlammig wurde, warteten ab, bis es wieder klar wurde, damit wir den schwarzen Sand an den Wülsten sahen, schoben die Rinnen ein wenig zur Seite, damit das Licht die Goldkörnchen funkeln ließ, streckten die Hände ins Wasser und berührten sie mit den Fingerspitzen …
Am Spätnachmittag schütteten wir das Konzentrat, das wir gesammelt hatten, in einen Plastikbehälter. Eine Weile standen wir drei nur da, betrachteten ihn und malten uns im Geiste aus, welche Möglichkeiten dieser schmutzige, metallische Sand uns allen eröffnete. Dann trugen wir den Behälter die Wiese hinauf und stellten ihn in den Schuppen hinter der Blockhütte. Unser erster Tag war zu Ende.
Stan ging Rosie besuchen. Gareth stieg in seinen Jeep und wandte sich durch das Fenster an mich, bevor er wegfuhr.
»Manche Dinge bringen alles wieder ins Lot, findest du nicht auch? Man kann endlich reinen Tisch machen. Meine Scheiße mit der Straße zum See, deine Scheiße mit Tripp – das alles wirkt doch jetzt auf einmal ziemlich bedeutungslos, nicht?«
»Vielleicht sollten wir unsere Ausbeute jeden Tag teilen. Ich will nicht, dass du irgendwann rumjammerst, wir hätten dir was gestohlen.«
»Ich vertraue dir, John-Boy. Wieso auch nicht?« Er blinzelte mir zu und ließ den Motor an. »Wir sehen uns morgen. Ich freue mich schon auf das Frühstück. Vielleicht leistet uns Marla ja dann Gesellschaft.«
Die Arbeit wurde im Handumdrehen zur Routine für Stan, Gareth und mich – wir hoben Erde aus und ließen sie durch die Rinne laufen, wuschen sie und amalgamierten sie alle zwei Tage mit Quecksilber. Es war eine öde, anstrengende, quälende Arbeit, die uns Schwielen an den Händen und permanent nasse Füße bescherte, doch der enorme Goldgehalt der Erde zerstreute unsere Müdigkeit, bis wir unsere Eimer Tag für Tag in einer Art habgieriger Trance mit schwarzem Sand füllten, was uns jedoch keineswegs mit der Ausgeglichenheit eines gewissen sicheren Reichtums erfüllte, sondern mit dem Wunsch nach immer mehr und mehr. Es war, als würden wir jeden Morgen zu anderen Menschen und erst wieder zu uns selbst finden, wenn wir am Abend die Werkzeuge hinwarfen und die ausgehobene Erde und den schlammigen Fluss hinter uns ließen.
Die tagtägliche Nässe zwang Stan zu einem anderen Umgang mit seinen Faltern. Er bewahrte sie nicht mehr in einem Beutel um den Hals auf, sondern sperrte sie, wenn
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