Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
Vom Netzwerk:
ansehen.«
    »Boah, danke!«
    Stan lief zum Parkplatz. Jeremy Tripp sah ihm nach.
    »Sie beide stehen sich offenbar sehr nahe.«
    »So ist es.«
    »Ihr Bruder ist ganz Feuer und Flamme für diese Firma.«
    »Ja.«
    »Wegen des Geldes? Er kommt mir nicht wie einer vor, dem es ums Geld geht. ’tschuldigung, aber ist er zurückgeblieben?«
    »Er hatte in seiner Kindheit einen Unfall.«
    »Und mit der Firma will er endlich zur Welt der Normalen dazugehören?«
    »Ich weiß nicht.«
    Tripp lächelte wissend. »Haben Sie Marktforschung betrieben?«
    »Was gibt es da zu forschen? Niemand in Oakridge bietet so etwas an.«
    »Trotzdem wäre ich überrascht, wenn so ein Geschäft in dieser Stadt überleben kann. Natürlich werden Sie Kunden bekommen, die Frage ist nur, bekommen Sie genügend? Sie müssen die Ware bezahlen, Ihre Nebenkosten aufbringen und noch genügend Profit erwirtschaften, damit die ganze Sache rentabel wird. Es kann schwierig werden, Ausgaben und Einnahmen in Einklang zu bringen. Ich muss es wissen.«
    »Na ja, wir versuchen es einfach.«
    »Was meinen Sie, wie würde Ihr Bruder reagieren, wenn der Versuch schiefgeht?«
    »Ich denke, er würde es verkraften.«
    »Wirklich?«
    Da kam Stan vom Parkplatz zurück. »Schicker Wagen, äh, Jaguar, meine ich.«
    Tripp strahlte über das ganze Gesicht. »Guter Mann! Wie würdest du dich fühlen, wenn das Pflanzengeschäft schiefgeht, Stan?«
    Stan sah ihn überrascht an. Seine Lippen zitterten, er sah mich an, dann wieder Tripp. »Möchten Sie die Pflanzen nicht mehr?«
    »Oh, ich möchte sie, mach dir keine Sorgen. Aber was ist, wenn sonst niemand welche will? Wenn kein anderer Pflanzen bei euch mieten will?«
    »Tja, ich … ich …« Stan brachte keine Antwort heraus; ich sah, wie ihm Tränen in die Augen stiegen.
    Ich stand auf, klatschte in die Hände und mimte den vielbeschäftigten Mann, der unbedingt wieder an die Arbeit muss. »Wir haben noch zu tun. Wir können morgen mit den Pflanzen zu Ihnen kommen, wenn es Ihnen recht ist.«
    Jeremy Tripp blieb einen Moment sitzen und lächelte. Dann stand er auf. »Das wäre großartig.« Als er zu seinem Auto zurückkehrte, beugte er sich ganz dicht zu mir und flüsterte: »Sieht nicht so aus, als würde er es verkraften.«
    Als er fort war, sah Stan mich unglücklich an. »Der ist komisch, Johnny.«
    »Das kannst du laut sagen. Aber weißt du was? Wir haben unseren ersten Kunden.«
    Stan gab ein Superheldengeräusch von sich und streckte die Fäuste in die Luft. »Ja! Plantasaurus lebt!«
    Und obwohl es tatsächlich aufregend war und ich Stan abklatschte und mit ihm herumalberte, fragte ich mich ständig, woher zum Teufel Jeremy Tripp unsere Namen kannte und wie er uns gefunden hatte. Und was er wirklich wollte, denn ich war ziemlich sicher, dass er sich nicht im Geringsten für unsere Pflanzen interessierte.
     
    Mein Vater kam an diesem Abend mit Geschenken für uns beide nach Hause. Früher war seine Auswahl von Geburtstags- und Weihnachtsgeschenken stets ein Anlass für Witze gewesen. Er versäumte zwar nie einen Anlass, doch die Präsente, die er kaufte, schienen immer entweder aus einer Ramschkiste zu stammen oder hatten rein gar nichts mit dem Empfänger zu tun.
    Als Erwachsener versuchte ich, dieses offenkundige Unvermögen zu verstehen. Er war ein intelligenter Mann und hätte eigentlich in der Lage sein müssen, eine vernünftige Wahl zu treffen. Wohlhabend war er nicht, aber er nagte auch nicht so sehr am Hungertuch, dass er sich nichts Anständiges leisten konnte. Ich kam schließlich zu der Vermutung, ein Geschenk auszuwählen, das dem Beschenkten gefiel, würde zu viel emotionale Anteilnahme seinerseits erfordern. Und so beschloss er, einfach sinnlose Präsente zu verschenken, die die Distanziertheit garantierten, auf die er offenkundig so viel Wert legte. Aber als er an diesem Abend in einem gemieteten weißen Ford Taurus nach Hause kam, hatte er ganz und gar andere Geschenke dabei.
    Wir nahmen am Küchentisch Platz. Hintertür und Fenster standen offen, der Duft des Gartens wehte herein, so sanft, als wäre seine Essenz getrocknet und zu Staub zermahlen worden, den der Wind mir sich trug, während er murmelnd die Verheißungen des Sommers pries. Die Sonne stand dicht über dem Rand des Beckens von Oakridge, der warme Dunst des Abends färbte den Himmel über den Bäumen rosa.
    Mein Vater war blass und wirkte übermüdet, doch es schien, als hätte die Ursache seiner Müdigkeit auch seine sonstige

Weitere Kostenlose Bücher