Empty Mile
solltest du?«
»Wegen des Zimmers. Die werden dich natürlich fragen, ob er sich mit jemandem getroffen hat. Und dann kommen sie hierher.«
»Ist das ein Problem?«
»Natürlich! Ich vermiete eine Fickbude an eine Frau, die sich gerade umgebracht hat, deren Mann eine große Nummer im Stadtrat ist und deren Liebhaber gerade verschwunden ist. Ganz zu schweigen davon, dass ich ihr die Scheißpillen gegeben habe.«
»Wusste noch jemand von dem Zimmer?«
»Niemand. Niemand wusste etwas. Kannst du mich bitte da raushalten? Bitte!«
»Okay … Wenn es zur Sprache kommt, sage ich nichts von dem Zimmer. Okay?«
Marla hörte sich erleichtert an. »Danke, Johnny. Danke.«
Detective Patterson kam am Vormittag mit einem uniformierten Beamten und einem Laptop vorbei. Patterson war um die fünfzig. Er war eher klein und recht beleibt um die Mitte. Er trug einen dunklen Anzug und hatte sein Haar mit einem Gel zurückgekämmt, das vage nach Minze duftete.
Stan und ich gingen mit den beiden Polizisten in die Küche. Patterson stellte das Laptop auf den Tisch und sah uns mit leicht erhobenen Händen an, als wollte er sichergehen, dass wir genau verstanden, was er zu sagen hatte.
»Also gut. Tatsache ist, dass wir Ihren Vater bis jetzt nicht gefunden haben. Und wir haben keine Informationen über seinen Aufenthalt letzte Nacht. Einer unserer Streifenwagen hat allerdings in der vergangenen Stunde einen weißen Ford Taurus gefunden, der auf dem Parkplatz hinter der Tankstelle Jerry’s Gas stand.«
Er gab mir ein Blatt Papier mit dem Briefkopf eines Autoverleihs. Unten sah ich die Unterschrift meines Vaters.
»Der Mietvertrag Ihres Vaters. Wir haben bei dem Autoverleih nachgefragt, und es besteht kein Zweifel – das Auto, das wir gefunden haben, ist das, das er gemietet hat. Niemand bei Jerry’s weiß etwas darüber, wie es dorthingekommen ist. Bedauerlicherweise haben sie keine Kameraüberwachung auf dem Parkplatz. Das Auto war nicht abgeschlossen, der Schlüssel steckte im Zündschloss.«
Stan gab ein leises Stöhnen von sich.
»Wir haben alles gründlich untersucht, aber keinen Hinweis darauf gefunden, dass ihm womöglich etwas zugestoßen wäre – keine Schäden an der Karosserie, keine Spuren im Inneren.«
Die nächste halbe Stunde fragte Patterson danach, was mein Vater beruflich machte, wo er arbeitete, wie lange wir in Oakridge lebten, was aus meiner Mutter geworden war … offenbar sammelte er Informationen, die ihm bei der Suche helfen sollten. Er tippte unsere Antworten in das Laptop, ohne dabei auf die Tastatur zu sehen.
»Wie lange ist es her, dass Ihre Mutter gestorben ist?«
»Vierzehn Jahre.«
Stan saß neben mir. Patterson saß uns gegenüber am Tisch; mir entging nicht, wie er meinen Bruder ansah.
»Und danach habt ihr zwei Jungs bei eurem Vater gelebt?«
»Eine Weile. Ich bin vor acht Jahren nach London gezogen. Ich bin gerade erst zurückgekommen.«
»Glauben Sie, es ist Ihrem Vater schwergefallen, den Lebensunterhalt zu verdienen und obendrein die Mutterrolle zu übernehmen? Besonders, nachdem Sie fort waren.«
»Kann sein.«
»War er verbittert deswegen, was meinen Sie?«
»Ich glaube, er war … frustriert darüber, dass er nicht genügend Geld hatte, um alles einfacher zu machen.«
»Hmm.« Patterson runzelte die Stirn und nickte versonnen. »Würden Sie sagen, dass er ein glücklicher Mann war?«
»Er war nicht selbstmordgefährdet, wenn Sie darauf hinauswollen.«
»Ich hatte mehr an Depressionen gedacht. War er unzufrieden mit seinem Leben? Könnte man das sagen? Nahm er Medikamente? Antidepressiva?«
»Nein, keine Medikamente, keine Antidepressiva. Er war vielleicht nicht gerade ein glücklicher Mann, aber auch nicht klinisch depressiv. Er war vom Leben nicht ausgefüllt. Er wünschte sich immer, erfolgreicher zu sein.«
»Okay. Sehen Sie, wo sein Auto gefunden wurde, das ist eine Haltestelle für den Greyhound-Bus, der nach Burton und Nevada fährt, und in die Gegenrichtung nach San Francisco. Gestern Nacht sind mehrere Leute in den Bus nach San Francisco gestiegen.«
»Gehörte er dazu?«
»Das wissen wir nicht. Wir haben am Telefon mit dem Fahrer gesprochen. Er erinnert sich nur noch, dass auch zwei Männer unter den Zugestiegenen waren. Sie gehörten nicht zusammen und bezahlten die Fahrscheine bar – keine Identifizierung über die Kreditkarte möglich. Beschreiben konnte er sie nicht, davon abgesehen, dass sie weiß und in mittleren Jahren waren. Wir haben ihm ein
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